Toskana 01

01.07. - 14.07.01

Teilnehmer:

Andreas Portz Yamaha XJ 900
Claudia Hoffert Marsi Honda XL 600V Transalp
Dirk Demand Dirk3D Yamaha TDM 850
Dirk Thomalla SRX6 Triumph Sprint RS
Hannes Deeken Glenlivet Suzuki GSX-R 1000
Manuel Stäbel Yamaha FZS 600S Fazer
Martin-Theodor Ludwig MTL Yamaha V-Max
Michael Junkers Mitch  BMW R 1150 GS
Thomas Schade Toscha Honda CBR 900RR Fireblade
Wolfgang Saur Lupino Yamaha YZF 600 Thundercat


Prolog

Geplant war heuer 14 Tage in die Toskana zu fahren, dieses Jahr mal mit fester Unterkunft statt Zelt; angedachter Zeitraum war der 01. bis 14.07. Im wesentlichen konnten diese Randbedingungen auch eingehalten werden. Bis ich meinem Cheffe offenbarte, dass ich eigentlich vorhabe Montag, 02.07., schon im Urlaub zu weilen anstatt vor dem President's Meeting einen Vortrag zum Thema eCom zu halten. Die Verwendung des Konjunktivs meinerseits interpretierte er als Bereitschaft zur Verlegung des Urlaubsanfangs um 1 Tag.
 

Die Touren

Dienstag, 03.07.

Wie ein Kuss beginnt der Tag? Nicht wirklich, wenn der Kuss bestenfalls via Radiowecker kommt, Bayern3 hat sich um diese Uhrzeit, es ist 3:40, noch dem ARD-Nachtprogramm angeschlossen, und ich will auch nicht der Mate von Right said Fred sein. Trotz dieser widrigen Umstände ist die Blade um 4:15 fahrbereit bepackt, es geht via BAB 95 gen Süden, Zirler Berg, Brenner-Autobahn. Das Tagesziel, ein verschlafenes Nest namens San Valentino, liegt ca. 860 km weiter südlich, ich gedenke bis Bologna die Dosenbahnen zu nehmen und mich dann im Winkelwerk via Florenz und Siena bis Bolsena zu vergnügen. Ereignislose 600 km weiter verlasse ich bei Bologna die Bahn, es dürfte so etwa 11:00 sein, warm ist es definitiv.

Obwohl nur auf roten Straßen unterwegs verspricht das Geläuf hohen Fahrspaß, der wird sich, bis auf wenige Ausnahmen, auch in den folgenden 10 Tagen tatsächlich einstellen. Gegen 15:00 dann Ankunft am Haus, die Akteure der ersten Woche sind vollständig versammelt.

Einfahrt zum HausIm Garten

Der Tag ist noch lang genug, um mal kurz die warmen Schwefelthermen von Saturnia zu besuchen, nach der Anreise eine willkommene Pflege für die Knochen, die Nase allerdings leidet etwas. Aber Warmwasser-Canyoning hat schon was.

Die Versorgungslage mit Bier ist leicht kritisch, weniger wegen der Menge als wegen der Qualität, die südliche Toskana scheint keine typisch deutsche Reisegegend zu sein, oder es kommen nur Weintrinker. Verschärft wird die Krise durch die mangelnde Eignung des Topcases der TDM, als wir zu Hause ankommen sind fast alle Flaschen durch's Schütteln am Kronkorken undicht geworden; zu allem Überfluss lag Dirks Handy auch im Topfkäse und wurde somit einem nicht hilfreichen Bierbad unterzogen.

MoppedparkplatzAbendliches Grillen
Extreme Nokia-McGuyvering

Am nächsten Tag dann die erste richtige Tour, eine gelungene Mischung aus gelben und roten Straßen; die gelben sind allerdings blademäßig bestenfalls als suboptimal zu bezeichnen. Es geht via Aquapendente nach Chiusi und dann weiter über eine schlicht genial zu nennende rote Straße besten Asfalts nach Orvieto. Die folgende gelbe Straße nach Todi könnte einige tolle Ausblicke in die Landschaft bieten, ebenso wie die folgende nach Alviano. Dumm nur, dass wir so flott unterwegs sind, dass wir von der Landschaft kaum etwas mitbekommen. Zurück es geht via Bolsena, das für sich gesehen übrigens ein wirklich nettes Städtchen ist, zudem mit einem recht großen See versehen, der noch zu einem abendlichen Bad einlädt. Die ersten ca. 350 km offenbaren den erhofften Fahrspaß, die Straßen bieten ausreichend Grip. Letzteres wiederum setzt der Lebensdauer typischer Motorradbreifungen ein frühzeitiges Ende, der vordere D207 zeigt massive Verschleisserscheinungen. Ich besinne mich auf die Tradition der Schande-Tours Servicemobile[1], bei Wolfi und Mitch, die für die zweite Woche nachkommen wollen, ordere ich einen Satz Reifen, hier unten sind die absurd teuer. Ungefähr 196 SMS später ist klar, dass ich mich auf einen Satz Bridgestone BT010 freuen darf, zum fairen Preis von 530 DM.

Der Donnerstag soll uns nach Rom führen, Manuel bleibt nur die erste Woche und nicht nur er will da unbedingt hin. Wir stehen früh, also so ca. 8:00, auf, damit wir von dem Tag auch was haben. Die Fahrt nach Rom ist unaufregend, wenn sich auch die SS2 von Bolsena via Montefiascone, dessen Namensgebung sich noch unheilsvoll bestätigen wird, nach Viterbo als kurvenfreudige Rennstrecke präsentiert. Der Verkehr in Rom allerdings, gepaart mit nur minimalster Beschilderung, bringt unseren Zeitplan geringfügig durcheinander, wenn auch die Ampelsprints gegen die local Rollerheroes durchaus ihren Reiz haben. Jedenfalls sind wir erst um Mittag an der Stazione Termini, diese 'Endstation' ist der römische Hauptbahnhof, in dessen Schließfächern wir die Moppedklamotten verstauen wollen; es hat 36 °C, kein Wetter für Besichtigungstouren im Vollleder. Das Schließfachsystem ist aber in einem ähnlich desolaten Zustand wie das Gepäcksystem in London Heathrow, erst nach einer Stunde sind die Sachen verstaut, ganz Findige hatten aus ihrer Kombi einen mit Stiefel, Helm etc. gefüllten Einteiler gebastelt und diesen als ein Stück bei der Aufbewahrung abgegeben, ansonsten hätte jedes Teil einzeln gekostet.

Die Beschreibung der Sehenswürdigkeiten spare ich mir, erstens interessiert das hier eh kaum jemand und zweitens kann das in jedem Reiseführer besser nachgelesen werden.

CollosseumForum Romanum
EngelsburgCapitol
Spanische Treppe

Nach der Hitze von Rom ist für den nächsten Tag Baden angesagt, aber nicht im Lago di Bolsena, wir wollen uns den Spaß durch eine Fahrt an die Küste bei Grosseto erst verdienen. Auf recht unebenen gelben Straßen geht es zum Strand, der allerdings bietet als Supersandstrand mit herrlichen Dünen ausreichend Bademöglichkeit; zudem ist er menschenleer.

Marina di Grosseto
 

Samstag, 07.07.

Wolfi  und Mitch wollen heute dazu stoßen. Wir beschließen ihnen bis irgendwo bei Siena entgegen zu kommen, um den Rest dann zusammen zurück zu fahren. Unterwegs werde ich zu einem höchst unfreiwilligen Boxenstop gezwungen. Beim Beschleunigen aus einer Kurve tut es mit einem Mal einen harten Schlag aus dem Motorraum, der Motor verliert schlagartig an Leistung dafür röhrt er als wäre ein Krümmer gebrochen. Dem ist zwar nicht so, die Diagnose fördert allerdings eine fröhlich am Kerzenstecker baumelnde Zündkerze zutage. Da der Motor aber tierisch heiß ist wird erst mal pausiert bis er soweit abgekühlt ist, dass die Kerze ausgebaut werden kann. Sitz und Gewinde sind völlig unbeschädigt, keinerlei Gratspuren oder Späne zu finden. Als peinliche Erklärung bleibt, dass ich die Kerze beim Wechseln wohl nicht ausreichend fest gedreht habe. Hauptsache erstmal, dass der Motor wieder, und dann auch weiterhin, problemlos läuft. Auf dem weiteren Weg findet sich auf 40 km vor Volterra eine schlichtweg geniale Rennstrecke, ideale Radien, weit einzusehende Kurven und, aus Sicht der Reifen, mörderischer Grip. Und wir schaffen es sogar uns zu treffen, dies gelingt in San Gimignano. Die Rückfahrt ist weitgehend ereignislos, wenn auch von hohen Tempi geprägt. Wolfi allerdings gelingt es, ca. 600 m vor dem Haus die Cat in einem Graben abzulegen, die minimalem Kratzer am Mopped allerdings stehen in keinem Verhältnis zur angekratzten Psyche, später am Abend wird er sogar ABS als Unfallvermeidungsmöglichkeit erwägen...

Reifenlager im Hausgang

Der Sonntag wird, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, im wesentlichen an den Gestaden des Lago di Bolsena verbracht; Manuel ist in aller Herrgottsfrühe zurück nach München gestartet; MTL wird erst am Abend erwartet. Der Abend wird mit verschiedenen Wartungsarbeiten überbrückt, Dirk allerdings erweist sich als 'bester Deutscher' (tm), er putzt die RS...

Wartungsarbeiten unter fachmännischer BegutachtungSprintputzer bei der Arbeit

Da mir Wolfi und Mitch vereinbarungsgemäß den Satz Reifen mitgebracht haben steht am Montag erst mal die Suche nach einem Händler an, der sie
mir montieren wird. Ich werde fündig in Viterbo, die anderen fahren vor zu einem Badesee, Lago di Bracciano, in einer wunderschönen Berglandschaft, 40 km weiter. Ca. 2 Stunden später stoße ich wieder dazu, der BT010 zeigt sich von Anfang an als feiner Reifen, auf einem Niveau mit dem D207. Sehr präzise beim Einlenken, spurstabil, Aufstellmoment beim Bremsen spürbar aber leicht zu beherrschen.

Der D207 ist nach 9.200 km weitgehend am Ende

Für den folgenden Dienstag steht der Gran Sasso auf dem Programm, aber Regen vereitelt den Versuch. Der Tag steht somit ganz im Zeichen von Kartenspiel und ein wenig Alkohol, wir spielen Rommé mit einigen Variationen.

Am Mittwoch der zweite Versuch für den Gran Sasso. Doch offensichtlich hat Hannes andere Pläne. Unbemerkt von uns anderen hat er den Vorsatz gefasst, ein neues Kapitel in der Schande-Tours Chronologie[2] 'Wir testen die Notaufnahmen Südeuropas' zu schreiben. Dazu hat er sich ein äußerst plausibles Testszenario ausgedacht. Beim Überholen eines Kadett Caravans, kurz hinter Montefiascone(!), schert dessen Fahrerin ansatzlos nacht links aus und katapultiert Hannes samt Kilogixxer von der Straße in eine Böschung. Das Mopped fliegt noch über die Böschung, Hannes kommt direkt vor einer niedrigen Betonmauer zum Liegen.

Der Gixxer-Killer KadettDer Notarzt war schnell zur Stelle

Da muss sein Schutzengel schwer auf Draht gewesen sein, dieser Unfall hätte auch bitter ausgehen können. So kommt er mit geprelltem Knie und einem wunderschönen Bluterguss am rechten Oberschenkel davon, die Schutzkleidung, speziell die Stiefel, haben da Schlimmeres verhindert. Und selbst das Mopped zeigt sich in einigermaßen brauchbaren Zustand, eine erste Sichtung des Rahmens und der Gabel zeigt keine Schädigung. Das ist um so überraschender als andererseits das Vorderrad komplett zerrissen ist, alle drei Speichen sind regelrecht geborsten. Sowohl Rettungsdienst wie auch die Notaufnahme in Viterbo bekommen Bestnoten, die Versorgung war tadellos.

Malerisches Ende einer GSX-R 1000Die zerstörte FelgeDer Gixxer wird abtransportiert

Weit weniger professionell zeigte sich die Polizia Stradale bei der Aufnahme des Unfalls, allein der Filmwechsel an der polizeieigenen Pentax hätte von Rowan Atkinson nicht besser in Szene gesetzt werden können. An weiteren Touren aber war uns an diesem Tag die Lust vergangen, so blieben wir zum Baden am Lago.

Da der Gran Sasso immer noch seiner Erstürmung harrte folgte am Donnerstag der dritte Versuch. Wenn es auch an diesem Tag nicht ganz bis zum Gran Sasso reichte, so fanden wir doch einige superschöne Straßen im Gran Sasso-Massiv. So führte der Weg von Orvieto nach Amelia und weiter über Terni nach Rieti, Letzteres wieder ein Highlight. Das folgende Stück nach Fiamignano sah auf der Karte sehr vielversprechend aus, zeigte sich aber als versandetes, extrem unebenes Stück Straße. Richtig schön wurde es dann wieder über den Sattel von Tornimparte nach L'Aquila. Da war es aber schon Nachmittag, wir hatten den Gran Sasso zumindest gesehen und wendeten somit langsam, unter Mitnahme einer wunderschönen Höhenstraße via Filetto, wieder Richtung Haus.

Im Gran Sasso-Gebiet

Marsi und Dirk 3D hatten von einer echten Bergrennstrecke, dem Monte Terminillo, berichtet. Der wurde als letzte Tour des Urlaubs von Andreas und mir angegangen, die andereren fuhren aus verschiedenen Gründen nicht mit. Hannes wurde von MTL zur Leihdose nach Grosseto chauffiert, Marsi und Wolfi wollten nach Tarquinia zur Besichtung etruskischer Sehenswürdigkeiten, der Verbleib der Dirks und von Mitch entzieht sich meiner Erinnerung. Der Terminillo war es aber dann auch wert, so etwas darf man sich nicht entgehen lassen. Weite, ideale Radien gepaart mit schnellen Kehren und kurzen Geraden, das Ganze stetig bergauf, schlicht genial. Am Abend dann Fischfest in Bolsena, aber außer Mitch und Wolfi konnte sich keiner an der Musik berauschen, wir zogen eine Pizzeria vor.

Und damit begann die Rückfahrt. Hier waren verschiedene kleinere Trupps geplant. Dirk T. und MTL starteten früh, sie wollten in einem Rutsch nach München, weitgehend auf der Dosenbahn, Dirk mit Rücksicht auf den desolaten Zustand seines Hinterreifens, bei MTL zeigte die Kupplungshydraulik Probleme. Mitch wollte alleine fahren in der Hoffnung Dirk und MTL einzuholen, Marsi und Andreas wollten zusammen fahren und in Meran pausieren, und Wolfi, Dirk 3D und ich planten bis Bologna noch mal Landstraße zu fahren und dann erst auf die Bahn zu gehen. 15 km nach dem Start waren die Pläne Makulatur als Dirk 3D mit Motorschaden, vermutet wird auf Grund des rasselnden Leerlaufes und des Leistungsverlusts eine übergesprungene Steuerkette, liegen blieb. So fuhren kurz darauf Andreas und Marsi sowie Mitch weiter, Wolfi und ich warteten mit Dirk auf den Abschlepper. Der kam auch nach einer italienischen halben Stunde, umgerechnet sind das dann 70 Minuten. Somit hatten Wolfi und ich weit über eine Stunde verloren, die Streckenplanung wurde dem angepasst, wir gingen in Florenz schon auf die Bahn. Und in Florenz tat dies auch MTL, dieser allerdings auf die Eisenbahn, die Kupplung der V-Max war endgültig kollabiert. Und auch noch unterwegs erreichte uns die Botschaft von Dirk 3D, der sich bis Rom durchgekämpft hatte und dort den Nachtzug nach Bonn erreichen konnte.
 

Epilog

Alles in allem war Schande-Tours 2001 wieder ein toller Urlaub, mit superschönen Touren, einer netten, wenn auch recht rustikalen Unterkunft und einem angenehmen, weitgehend schon eingespieltem Team. Dass allerdings zum zweiten Mal ein Mopped nach Unfall total ausfällt könnte sich mal wieder ändern. Und dass von vier gestarteten Yamahas nur zwei die Zielflagge sahen, hätte man so wohl auch nicht erwartet.
 
 

[1] Diese Tradition wurde von Wolfi Saur begründet als er 99 einige dringend benötigte Ersatzteile für eine F 650 mit nach Sardinien brachte, auch da kam er erst für die zweite Woche. Auch Reifentransporte an Urlaubsorte sind nicht Neues, zur Alpentour 99 brachte ich z.B. Bossi einen HR mit.

[2] Begründet wurde diese Tradition von Hannes auf 99 Korsika, als er sich mit der Bandit ablegte und den Rettungsdienst sowie die Notaufnahme in Ajaccio testete. Im gleichen Jahr konnte auch Wolfi noch einen Beitrag liefern, nach seinem Abflug bei Nurio auf Sardinien blieb er sogar eine Nacht im Hospital. Und auch letztes Jahr wurde ein neuer Eintrag geschrieben, diesmal von Mitch, der nach seinem Abflug in den Pyrenäen dem Krankenhaus in Lourdes einen Beitrag widmete.


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Thomas Schade
24.07.01