Toschas geile 3-Königstour 1999

Vorgeschichte

Es begab sich zu Beginn des neuen Jahres, dass eine Freundin ihren Skiurlaub in Gstaad/CH verbringen wollte. Da aber anscheinend die Schweiz derzeit Bio-Kampfstoffe testet, wurde sie am Montag durch einen Salmonellenangriff niedergestreckt. Ein wenig chatten mit Marc am Dienstagabend ließ einen abenteuerlichen Plan reifen...

Umsetzung

Es ist Mittwoch, 06.01.1999, 3 Königstag

6:40

Eiskalt vom dunklen Himmel funkelnde Sterne, Eiskristallen auf einer schwarzen Straße nicht unähnlich, lassen auf eine kalt gewesene Nacht schließen. Andererseits kündet weit im Osten ein zaghafter Hauch von Dämmerung den Beginn eines weiteren traumhaften Wintertages an.

Der Plan von gestern Abend kann also, zumindest was das Wetter angeht, umgesetzt werden. Gegen die tageszeitbedingte Müdigkeit hilft eine Kanne Kaffee, das Motorrad wird mit dem Nötigsten bepackt.

7:45

Zum ersten Mal seit SW-II wird die Blade zum Leben erweckt, und zum ersten Mal wird die bis dahin nichtsahnende Nachbarschaft vom lieblichen Grollen geweckt. Die Weihnachtsbäume lassen ihre letzten Nadeln fallen und werfen ihre Dekorationen von sich, was aber nichts weiter ausmacht da an 3-König traditionell die Bäume abgebaut werden.

Kurze Beschleunigungstest zeigen, der Asphalt ist kalt aber griffig. Das Ziel ist ehrgeizig gesteckt, also erstmal BAB 96 Richtung Lindau. 'All systems go' nur richtig warm will dem Motor nicht werden. Aber die Temperaturanzeige kommt zumindest aus dem 'C' heraus, so what. Bis Wangen im Allgäu keine besonderen Vorkommnisse; nur dumm, dass dieser polnische S-Klasse Benz wohl keine Winterreifen montiert hat, aber bei 220 km/h auf leicht feuchter Fahrbahn siegt die Vernunft, der Kampf jedoch war nicht leicht.

Abseits der Bahn herrschen dann aber andere Verhältnisse. Die Straßen sind feucht und in den schattigen Passagen glitzert es trotz Sonnenbrille an den Rändern verräterisch glatt. Die Straßen selbst aber sind weiterhin griffig.

Und dann kommt Ravensburg und zum ersten Mal keimt der Wunsch nach Abbruch auf. Nebel mit Sichtweiten zwischen 20 und 50 m auf den, wie sich im Nachhinein zeigt, nächsten 40 km. Auf der ausgekühlten Kombi und auf dem Visier bildet sich eine leichte Eiskruste, die Sicht wird dadurch aber nicht signifikant besser. Ab Überlingen aber gewinnt die Sonne langsam wieder Oberhand, bis Waldshut lässt sich auf der völlig freien Strecke wieder etwas Zeit gutmachen.

11:15

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich gegenüber meiner ursprünglichen Planung ca. eine Stunde zurück liege, davon allerdings eine 3/4-Stunde zuhause vertrödelt. Aber es ist eh eine gute Zeit für einen Kaffee, also rein in die Bahnhofsgaststätte von Waldshut. Die Bedienung macht den Eindruck als hätte sie Motorradfahrer eher selten zu Gast, bereitwillig bekomme ich aber 2 Tassen Kaffee. Scharfes Nachrechnen führt zu dem Schluss, dass die Tour immer noch bis gegen 22:00 beendet sein kann, na gut, müssen wir halt einen Teil der Strecke im Dunkeln fahren, aber Bange machen gilt nicht.

Auf der Fahrt zum schweizerischen Zoll begegnet mir das erste Motorrad an diesem Tag, irgendwas Cruisermäßiges, letztlich werde ich ca. 12 Motorräder getroffen haben. Der Zöllner grüßt ungewöhnlich freundlich, ach ja, in der Schweiz ist wohl kein Feiertag, gut für's Tanken.

Bis Brugg kennt man die Strecke recht gut, ist ja der SW-II-Weg, danach geht es, in leichter Modifikation der von Marc vorgeschlagenen Route, direkt Richtung Aarau und Olten. Man ahnt warum, ab Brugg dichter Nebel mit begrenzter Sichtweite, der mich davon abhält schlecht beschilderten Straßen zu folgen; man erinnert sich, ich habe ein ehrgeiziges Ziel.

Allerdings lichtet sich der Nebel kurz vor Aarau und holt mich erst mal nicht mehr ein. Ab Langenthal versuche ich dann Marcs Route zu erreichen, so so, Emmenthal ist keine Stadt, sondern tatsächlich ein Tal; kein Wunder, dass ich es in der Karte nicht gefunden habe. Die Route ist aber wirklich vom Feinsten. Hinter dem Thuner See erheben sich bereits die schneebedeckten Gipfel, davor grüne Weiden, braune Felder und bunte Kühe.

Die Straße ist völlig trocken, das verspricht ein gutes Weiterkommen. Völlig trocken? Nein, in einer Kurve, hinter einem Bauernhaus, wirft der Giebel des selbigen einen so langen Schatten, dass gegen Mittag die Straße dort noch glatt ist. Aber sie ist breit genug und der Gegenverkehr macht gerade Mittag, so daß der heftige Slide ohne Folgen bleibt.

In Thun dann die Gewissensfrage. Ein langer Stau vor dem ersten Kreisverkehr regt an zum Nachdenken über alpenländische Straßenverkehrsordnungen. In Österreich ist, wie man weiß, das Passieren von Kolonnen erlaubt. Oder doch nur geduldet? Und wie ist das in der Schweiz? Aber obwohl die Schlange lang genug ist, möchte ich die Klärung vorher herbeiführen. Vor die Wahl gestellt mich einzureihen und nachher zu hören, du hättest aber dürfen, und nicht zu dürfen und dafür zur Ordnung gerufen zu werden, entschließe ich mich für Letzteres und damit zum Überholen. Wir erinnern uns, ich habe ein erhrgeiziges Ziel. Leider kann trotz massiver Versuche, ganz Thun scheint eine Fahrzeugschlange zu sein, vielleicht ist aber auch nur überall Parkverbot, eine Klärung nicht herbeigeführt werden, für die Rückfahrt wird man sich das merken müssen.

Ab Thun geht es dann in ein engeres Tal, logisch ist es da schattiger und kühler. Die Skifahrerdosendichte nimmt zu, sie machen bereitwillig Platz, anscheinend sind die Reflexe zum Behindern von Motorradfahrern noch eingerostet.

Weiter oben dann ein grandioser Ausblick. Unten im Tal liegt Gstaad, umrahmt von einer Kette im Sonnenlicht funkelnder 3-Tausender, na ja, vielleicht auch nur 2-1/2-Tausender.

15:15

Die Blade steht am Ortseingang von Gstaad, in der Nähe endet eine Skipiste. Die Blicke, die die Kapuzenmänner und Daunenmäuse mir und dem Motorrad zuwerfen, lassen die Frage aufkommen, ob nicht einer fehl am Platz ist. Aber vielleicht ist es auch nur das erste Motorrad, das sie heuer überhaupt sehen. Gegenüber meinem ursprünglichen Zeitplan bin ich nun 2h zurück, mit Skifahren wird es also diesmal nichts, aber die Zeit reicht für einen Cappucino und einen Bummel durch den Ort. 6,80 SFR für 2 Tassen Kaffee sind in Ordnung, wo das Geld verdient wird, zeigt sich in den Schaufenstern.

16:15

Es geht zurück. Als Beweis muss eine Tankquittung von Gstaad herhalten, obwohl es nicht unbedingt nötig wäre. Dafür kommt die Blade zum ersten Mal in den Genuss einer Tankstelle mit Bedienung; anscheinend hat man das hier so. Der Tankwart, der sonst bevorzugt die Scheiben von Range Rovers und ähnlichem reinigt, widmet sich mit gleicher Hingabe den Scheinwerfern der Blade und dem Visier(!) meines Helmes.

Auf der Talfahrt plötzlich ein unmotivierter Stau. Geübt im Passieren fahre ich vor und sehe den Grund nicht. Die Weiterfahrt bringt die Wahrheit zu Tage, die blinkenden Rotlichtampeln an der Seite sind wohl nicht für Fußgänger gedacht sondern sollen den herannahenden Verkehr vor den sich senkenden Schranken warnen. Mit mir nicht! Hergebrannt!

Pünktlich zum Feierabendverkehr bin ich wieder in Thun. Keine Ahnung ob es ein neuer Stau ist oder der gleiche nur in die andere Richtung, versuche ich nochmal eine Klärung der Verkehrsordnung. Es gelingt mir nicht. Später werde ich die Schweiz verlassen und immer noch nicht wissen, was nun erlaubt ist.

Es ist dunkel und es wird kalt, irgendwo zeigt ein Thermometer -2 °C und 18:00. Da von der Landschaft eh nichts mehr zu erkennen ist, nehme ich die gleiche Strecke wie bei der Hinfahrt. Shell hat anscheinend eine Serviceoffensive gestartet, auch um 19:30 gibt es noch besetzte Stationen statt der sonst üblichen Automatenanlagen.

Zurück auf der B314 führt ein kurzer Halt zu einer unangenehmen Erkenntnis. Das Motorrad quittiert das Anfahren mit einem heftigen Querstehen des Hinterrades. Es wird doch nicht glatt sein? Doch, es ist. Zwar noch nicht gefroren, aber auch nicht weit davon entfernt. Eiskalt passe ich eine Dose ab, in der Hoffnung, dass, wo die durchkommt ich auch durchkomme, und wenn ich dennoch stürze dann lieber dahinter als davor.

So geht es bis Singen, und pünktlich beginnt wieder der Bodenseenebel. Diesmal verfolgt er mich über 90 km, bis Lindau. Da es kälter ist als in der Früh vereist das Visier noch heftiger. Fahren ist nur noch einarmig möglich, die linke Hand wird zum Scheibenwischer. Die Sicht bleibt beschissen. Daran ändert auch nicht, dass sich die Verschlussschraube des Visiers losrüttelt und verloren geht. Na was soll's, ich fahre die ganze Zeit schon einarmig, da kann ich das Visier auch noch gegen den Helm pressen.

In Lindau setze ich mich dann wieder auf die BAB 96, Lindau - München. Der Nebel hat aufgehört, die Bahn ist trocken, die Geschwindigkeit wird den Verhältnissen angepasst. Angenehmer Nebeneffekt, der Winddruck reicht um das Visier zu halten, die linke Hand darf wieder kuppeln und den Lenker mithalten.

22:30

In Aichstetten noch schnell ein Kaffee, sehe ich aus wie ein Mondkalb oder warum schauen die mich so an? Na gut, da bröckeln Eisstücke von der
Kombi, aber das kann ja mal vorkommen.

23:45

Die Blade rollt in den Hof einer weitgehend schon wieder friedlich schlafenden Wohnanlage. Der kurz aufkeimende Gedanke nach einem endgültigen, orgiastischen Gaststoß wird von der Vernunft in Schach gehalten. Wer wird schon so unvernünftig sein?!

Fazit

Die Tour war letztlich etwas zeitraubender als geplant, und ich kann nicht sagen, ich wäre nicht gewarnt gewesen. Aber es war eine absolut verrückte Idee, die nach Umsetzung geradezu schrie. Gut, das mit dem Skifahren war nix, aber der Kaffee war auch nicht schlecht.

München - Gstaad/CH - München: 1.060 km
Nettofahrtzeit:                14h

It was FUN, FUN, FUN!


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Thomas Schade
13.01.00