Fallschirmspringen
Tandem:
Kempten-Durach, mit Tscharlie Johann, 22.09.07
Solo: Skydive Colibri, 01.11.07
Endlich
seit längerem mal wieder spüre ich frischen Gegenwind im Gesicht.
Und bei ca. 200 km/h ist der auch tatsächlich richtig zu spüren.
Unterstützt wird der Eindruck noch dadurch, dass ich wider meine
sonstigen Gewohnheiten ein jethelmähnliches Hütchen trage. Damit
allerdings
sind die Abweichungen zur Norm keineswegs vollständig beschrieben.
Der Helm hat nämlich außen noch ein Funkgerät appliziert und innen,
direkt am Ohr, auf dass auch der schwerhörigste Träger noch das
entscheidende Piepsen hören möge, einen ggf. schrill pfeifenden
Höhenmesser.
Und das Piepsen ist u.U. sehr entscheidend. Der Wind nämlich
bläst mir zwar von vorn entgegen, aber nicht fahrend in der Ebene
sondern im so genannten 'freien Fall'. Kurz, ich stürze mit ca. 50 m/s
Fallgeschwindigkeit dem Boden entgegen. Gebremst eben nur von besagtem
Gegenwind. Dessen Bremswirkung allerdings eher bescheidener Natur ist.
Begonnen hatte das alles vor ca. 50 Jahren mit meiner Geburt. Und mit
deren
alljährlicher Feier, die im letzten Jahr eben zum 50. Geburtstag
entsprechend
eindrucksvoll begangen wurde. Als Dank meiner Umgebung für die
Bereicherung ihres Lebens durch meine Anwesenheit darin bekam ich
verschiedene
Gutscheine zu abenteuerlichen Erlebnissen geschenkt. Honi soit, qui mal
y
pense, war ein daraufhin nicht selten geäußerter Kommentar.
Bekanntermaßen
war ein bereits eingelöster Gutschein ein Hubschrauberflug
zum Selberfliegen. Desweiteren wurde ich mit einer Fahrt in
einem Rennbob, die steht noch aus, einem Tandem-Fallschirmsprung
und, da war ich dann doch kurzfristig etwas irritiert,
dass es so etwas überhaupt gibt, mit einem Fallschirm-Solosprung
beglückt.
Schon der Tandemsprung war ein Erlebnis der besonderen Art.
Festgeschnallt, wobei 'fest' sich auf gerade mal vier Karabinerhaken
reduziert,
mit denen ich am Gurtzeug des 'Tandemmasters' befestigt bin, an einem
mir fremden Menschen, dessen Eignung zum Fallschirmspringen andere mir
fremde Menschen beurteilt haben, stehe ich in 4.500 m über Grund an
der Absprungkante einer Short S.C.7
Skyvan. Unter mir der Flugplatz,
von dem wir vor ca. 15 Minuten gestartet sind, rings um mich das
beeindruckende Panorama der Allgäuer Alpen südlich von Kempten.
Wenigstens
haben wir mit dem 22.09.07 noch einen wunderschönen Herbstbeginn,
mit strahlendem Sonnenschein und einer beeindruckenden Fernsicht,
erwischt. Andererseits wird dadurch der Eindruck der großen Höhe über
Grund eher noch verstärkt. Auch die Umrechnung der Höhe in Sprungtürme,
sind doch nur 450 Zehnmeter-Türme, trägt nicht sonderlich zur
Beruhigung bei. Und plötzlich falle ich zum ersten Mal aus
einem Flugzeug.
Und mache als allererstes mal einen Salto rückwärts. Im Nachhinein
logisch, springt man doch aus dem Lee hinter dem Flugzeug in den
Fahrtwind, im ersten Erleben dennoch äußerst überraschend. Da ich
vorlaut dem
Tandemmaster erzählt hatte, dass mich noch ein Solosprung erwartet,
reicht er
mir nach dem Öffnen des Schirms die Steuerleinen nach vorne, auf dass
ich ein wenig Gefühl für das Schirmfahren bekomme. Lustig, wie enge
Kurven
man mit so einem Schirm fahren kann. Die dadurch ausgelöste Fliehkraft
führt zu einer Fluglage, bei der die Passagiere am Schirm fast
waagerecht nach außen hängen während der Schirm fast senkrecht zum
Boden
steht. Beeindruckend, dass der dann immer noch stabil weiterfliegt.
Allerdings wird so auch sehr schnell Höhe abgebaut. Kurz vor der
Landung übernimmt der Master dann aber wieder die Steuerung und ca.
sechs
Minuten nach dem Absprung sind wir zurück auf dem Boden der Tatsachen.
Etwas länger allerdings dauert es, bis sich das Adrenalin einigermaßen
wieder abgebaut hat. Fallschirmspringen hat was.
Und jetzt, am 01.11.07, falle ich also schon wieder, ein kurzer Gedanke
an J.B.O's
"Ein guter Tag zum Sterben" wird erfolgreich verdrängt. Hänge
ich doch glücklicherweise
nicht an einem anderen sondern bin Herr über einen eigenen
Schirm. Zumindest theoretisch, denn der ist ja noch gar nicht offen.
Auf dass mir ein Purzelbaum wie beim Tandemsprung, da allerdings war
der ja
vom Master 'geplant', erspart bleibt, sind mit mir die Sprunglehrer
Ulli und Udo abgesprungen. Wo aber beim Tandemsprung der Absprung
einigermaßen 'bequem', stehend an der Kante der hinten angebrachten
Ladeluke, vonstatten ging, erfolgt diesmal der Absprung in hockender
Haltung seitlich aus einer Pilatus
PC-6 Porter. Die mit neun
Springern ziemlich eng gefüllt ist. Hatte ich beim ersten Sprung nichts
weiter zu tun als einfach den Fall zu genießen, haben die Sprunglehrer
jetzt den Ehrgeiz, mich in die Grundregeln des Fallschirmspringens
einzuweisen. Also habe ich brav zwei Tage zur Theorie des
Fallschirmspringens absolviert. Habe gelernt wie die Elemente
eines Schirms heißen, wie ich erkenne, ob die 'Kappe' sich
ordnungsgemäß
entfaltet hat, was ich tun muss, wenn sie das nicht getan hat, und
wie ich letztlich, wenn 'alle Stricke reißen', den Reserveschirm öffne.
Kaum etwas gelernt habe ich über die Schirmfahrt selbst. Was wohl daran
liegt, dass es da für den Lehrling kaum etwas zu lernen gibt. "Ziehste
rechts (rechte Steuerleine) fährste rechts, ziehste links fährste
links. Ziehste beide fährste langsamer.". Die Steuerung eines
Fallschirms unterscheidet sich also kaum von der eines Kettenfahrzeugs.
Nur dass ich eben auch davon keine Ahnung habe. Der wesentlichste
Unterschied dürfte im vierten Hinweis liegen "Ziehste beide zu schnell
stürzte ab.". Dann kann die Strömung abreißen und es kommt zum für den
Springer unangenehmen 'Stall'. Das wollen wir also schon mal vermeiden.
Eigenartigerweise, aber so eigenartig nun letztlich auch wieder nicht,
fühle ich
mich beim Solosprung wohler als beim Tandemsprung. Ich bin zwar jetzt
auf mich allein angewiesen, aber da kenne ich wenigstens meine
Kompetenz. Bzw. bin mir im Klaren, dass ich über keine verfüge. Beim
Tandemsprung war ich jemandem 'ausgeliefert', der das sicher besser
konnte als
ich, aber dessen tatsächliche Kompetenz ich nicht ansatzweise
abschätzen
konnte.
Und so falle ich von 4.000 m bis auf etwa 1.500 m, oder anders gesagt,
etwa 50
Sekunden. Immer in der Hoffnung, dass all die Übungen bzgl. Abtrennen
des Hauptschirms und Auslösen des Reserveschirmes Theorie bleiben
mögen. Und das bleiben sie auch. Eine knappe Minute nach dem Absprung
öffnet sich wunderschön über mir eine gelb-blau gestreifte Kappe, die
lediglich erheblich kleiner wirkt als ich erwartet hatte. Und über das
Funkgerät gratuliert mir Steffen, der vom Boden aus den Sprung
begleitet,
zum erfolgreichen Öffnen des Schirms. Das also hat soweit geklappt.
Der Schirm reagiert auch wie erwartet auf meine Kommandos. Was vor dem
Hintergrund meiner umfangreichen Erfahrung von immerhin einem
Tandemsprung
auch nicht weiter überrascht. Sind die ersten Kurven noch eher
behutsamer Natur, der erfahrene Springer macht sich immer erst durch
einige Standardmanöver mit dem
ihm
fremden Gerät vertraut, werden die Kurven mit
zunehmenden Vertrauen in den Schirm enger und gewagter. Selbst aus
dieser Entfernung, Sprungort ist nicht Kempten sondern Waizenhofen,
ein kleiner Weiler bei Greding, eröffnet sich an diesem klaren
Spätherbsttag das Alpenpanorama am Horizont. So genieße ich
gleichermaßen
die Schirmfahrt, das Steuern des Schirms aber auch den Ausblick.
Langsam wird es Zeit für den Landeanflug, wir sind auf 500 m Höhe und
ich
soll in etwa 300 m mit dem Wind in Landerichtung fliegen. Also etwas
'Flaren',
Höhe abbauen et voilà. In 200 m dann quer zur Endanflugsrichtung,
wunderbar. Schon bin ich auf 100 m und bereite mich auf die
Landung vor. Im Vergleich zur Absprungshöhe habe ich jetzt das Gefühl,
den Boden schon zu berühren. Vor mir die Landebahn, querab die Station,
Insider sprechen hier vom 'Manifest', über mir, weit weg, der Himmel.
Flaren auf Schulterhöhe, der Schirm verliert an Fahrt, voll Flaren und
fast hätte ich sogar eine stehende Landung geschafft. Dafür bin ich
aber doch ein klein wenig zu schnell, einmal muss ich abrollen.
Dennoch,
mein Solosprung ist erfolgreich absolviert.
Eigentlich ging das alles viel zu schnell. Freude und Stolz mischen
sich mit erstem
Wehmut, dass das Abenteuer schon vorbei ist. Ich werde sicher nicht das
Fallschirmspringen als Hobby beginnen. Ich kann mir aber jetzt schon
vorstellen, einen solchen Sprung irgendwann zu
wiederholen.Fallschirmspringen
hat wirklich was.
Bilder Tandemsprung
Bilder Solosprung
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Thomas
Schade
04.11.07