Die Drehmoment-Frage    


Das Wichtigste an einem Motorrad ist ein guter Drehmomentverlauf, sagt das eine, meist der Chopper/Roadsterfraktion angehörende Lager. Quatsch! empören sich Supersportler und 2-Takt-Freaks, nur die Leistung zählt. Wer hat nun recht in einer Streitfrage, die seit Generationen die Zweiradgemeinde spaltet? Die Antwort ist einfach: beide! Denn Leistung und Drehmoment eines Motors sind zwei direkt voneinander ableitbare Größen und wir können von der einen nicht ein mehr erfahren, das wir von der anderen nicht bereits wüßten. Lediglich beider "Form" ist unterschiedlich und ermöglichen uns, verschiedene Charakteristika des Motors sofort, ohne großes Umrechnen, abzulesen.

Zu dem so kontrovers disputierten Thema ein paar kleine Überlegungen...

Als erstes halten wir mal fest: nachfolgend unterscheiden wir zwischen Leistung (bzw. Drehmoment) am Hinterrad, d.h. das, was von der Lauffläche auf die Straße gebracht wird und der Leistung (bzw. Drehmoment) des Motors, in diesem Fall das, was an der Kurbelwelle anliegt. Der Korrektheit wegen sei noch erwähnt, daß sämtliche Verluste, die durch Reibung von Getriebe, Motor- und Radlager usw... auf dem Weg vom Motor bis zum Antriebskautschuk entstehen, bereits auf die reine Motor-Leistung angerechnet werden, so daß wir von der effektiven Motor-Leistung sprechen können (also der, die im Brief steht bzw. am Leistungsprüfstand gemessen wird).

Weiter erinnern wir noch an die Schulphysik: Leistung ist gleich Energie pro Zeiteinheit.
Aufgrund der Energieerhaltung ist somit die (effektive) Leistung, die der Motor abgibt, gleich der Leistung, die vom Hinterrad auf die Straße übersetzt wird. (was man vorne in einer Sekunde reinsteckst, kommt hinten in einer Sekunde wieder raus...). Eine entsprechender Erhaltung gibt es allerdings nicht für das Drehmoment!!!!

Genug des Geschwafels, laßt Formeln sprechen:

Wir definieren: Leistung Pmotor des Motors bei Umdrehungszahl wmotor des Motors sei:

	Pmotor(wmotor)

Für die Leistung Phrad am Hinterrad gilt (Energie/Leistungserhaltung):

	Phrad    =  Pmotor  ( = Pmotor(wmotor)  )
Entsprechend ist die Leistung am Hinterrad ausschließlich von der der Drehzahl des Motors abhängig.

Nun der wichtige Zusammenhang zwischen Drehmoment und Leistung:

	Drehmoment  =  Kraft * Radius
	Leistung    = Drehmoment * Umdrehungszahl
Zum Verständnis des Drehmoments sei vermerkt: nehmen wir mal ein angetriebenes Rad auf der Straße als Beispiel, das durch den Antrieb eine Kraft F auf die Straße vermittelt. Das Drehmoment

ist nun genau die Antriebskraft F an der Aufstandsfläche, multipliziert mit dem Radius R des Rades.

Multiplizieren wir dieses Drehmoment noch mit der Drehzahl des Rades (die ein Maß für den zurückgelegten Weg pro Zeiteinheit ist), so erhalten wir die Energie pro Zeiteinheit, die das Rad für die Fortbewegung verbraucht.

Wir können nun folgende Aussagen treffen:

(1). Für das Drehmoment Mmotor(wmotor) am Motor mit Motor-Drehzahl wmotor gilt :

	Mmotor(wmotor) = Pmotor(wmotor) / wmotor
(2). Für das Drehmoment Mhrad(whrad) am Hinterrad mit Radius R und Drehzahl whrad gilt:
	Mhrad(whrad) = Phrad / whrad    = Pmotor(wmotor) / whrad
(3). Für die Kraft F am Hinterrad mit Radius R gilt nun:
                 Mhrad(whrad)              Pmotor(wmotor) 
	F   =   ————————————      =      ——————————————
                      R          mit(2)    whrad  *  R
D.h. die Kraft zum Beschleunigen steigt mit zunehmender Leistung des Motors und fällt mit zunehmender Drehzahl des hinteren Schlappens (d.h. bei höheren Geschwindigkeiten). Konsequenz: wenn man ein Maß für die Beschleunigungsfähigkeit des Moppeds (=Kraft am Hinterrad) haben möchte, muß man die Leistung bei gegebener Motordrehzahl erst durch die Drehzahl hinter seinem verlängerten Steißbein teilen.

Ebenso folgt weiter mit (1)

                 Mmotor(wmotor) * wmotor
	F   =   ————————————————————————
                      R * whrad
und wenn wir das Verhältnis von wmotor/whrad als Getriebeuntersetzung
	G = wmotor/whrad
definieren:
                                  G
(4)  	F   =   Mmotor(wmotor) *  ————
                                  R
Das heißt, die Kraft ist (für einen gegebenen Gang und Radius R) direkt und ausschließlich proportional zum Drehmoment des Motors.

Anders ausgedrückt, angenommen, man hat die Kurve des max. Drehmoments Mmax (typischer Verlauf: ansteigend, dann flacherer Teil, gegen Drehzahlmaximium wieder abfallend) und die Kurve des Drehmoments Mfahr (für einen beliebigen Gang), das man z.B. für die Fahrt auf ebener Landstraße mit konstanter Geschwindigkeit aufwenden muß (typischerweise mehr oder weniger linear mit der Drehzahl ansteigend), dann sieht man aus der Differenz der beiden Kurven Mmax(wmotor) und Mfahr(wmotor) sofort die mögliche Beschleunigung (nach (4)), hingegen muß man im entsprechenden Fall der Leistungskurven immer erst durch die Motordrehgeschwindigkeit teilen (nach (3)).

Mit ein paar Buildl versteht sich's natürlich immer besser:

1. Oberes Diagramm:

typische Drehmomentkurve (rot, in Nm) mit den (hier linear angenommenen) Lastkurven (sozusagen der "Verbrauch" an Drehmoment) für den 2., 3. und 6. Gang bei ebener Fahrbahn. Die "v=konstant"-Kurve beschreibt den Gangwechsel bei konstanter Geschwindigkeit. Die blauen Balken zeigen die Drehmoment = Kraft -Reserve des Motors für den 6. Gang an. Dem Drehmoment-Diagramm können wir nach Gleichung (4) die Kraftreserve für jeweils einen Gang über das Drehzahlband hin entnehmen. Da in Gleichung (4) aber auch der Faktor G für die Untersetzung mit eingeht, ist ein Vergleich zwischen den Gängen nicht direkt ablesbar.

2. Unteres Diagramm:

zugehörige Leistungskurve (rot, in PS) mit entsprechenden Lastkurven. (Die blauen Balken sind die Leistungsreserven im jeweiligen Gang) Die gestrichelte 'Geschwindigkeit (v) = konstant'-Linie gibt wie oben den Schaltvorgang wieder. Bei konstanter Geschwindigkeit v (d.h. konstanter Drehzahl des Hinterrades) hängt die Kraft am Reifen nur von der Motorleistung (Gleichung (3)) ab, d.h. wir entnehmen aus der Leistungskurve sofort den Gewinn an Beschleunigungsvermögen durch "Herunterschalten" (d.h. entlang der v=konstant-Linie) vom 3. (Punkt A) in den 2. Gang (Punkt B), und zwar als Verhähltnis der über A und B angetragenen blauen Balken für die Leistungsreserve.

Aus beiden Diagrammen können wir die maximale Geschwindigkeit (Vmax) entnehmen, d.h. dort, wo die Lastkurven (für den 6. Gang) die Kurven für maximales Drehmoment/Leistung schneiden.
Im Leistungsdiagramm sehen wir auch, daß der 6. Gang zu lang übersetzt ist, d.h. Vmax wird bereits vor dem Leistungsmaximum (entspricht der max. erreichbaren Geschwindigkeit) erreicht. Bei anderer (d.h. kürzerer) Wahl der Übersetzung könnte das Motorrad noch schneller fahren.

Zusammenfassung:

  1. Drehmomentkurve und Lastkurven:

  2. Leistungskurve und Lastkurven:


© RRR.DE - Franky