Buchvorstellungen: Fahrtechniken für sportliches Motorradfahren.
"Motorradfahren kann man nicht aus Büchern lernen, also nutzt
es nichts, solche zu lesen" - so eine oft gehöhrte Kritik.
Motorradfahrtechnik ist Denksport (die Schachspieler werden jetzt aufheulen).
Man fährt nicht Motorrad, in dem man sich
draufsetzt und Gas gibt. Motorradfahren heißt, eine Unmenge an in erster Linie optischer
Information im Gehirn in kürzester Zeit zu analysieren und in korrketen
Handlungen umzusetzen.
Sowohl die Aufnahme der Information als auch die Ausführung der Handlung kann man
man selbstverständlich NUR im Sattel trainieren. Das Wissen, welche Informationen
relevant, wie sie zu interpretieren und welche Handlungen durchzuführen
sind, kann aber nur per Trockenübung erlangt werden.
Idealerweise verbinden Sicherheits-, oder Rennstreckentraining beides - idealweise,
denn gerade der theoretische Aspekt des Fahrens kommt fast immer zu kurz, der
Instruktor ist ein stummer Fisch, der nur im Kreis fahren läßt, oder
die Teilnehmer sind nur heiß aufs Fahren, egal wie - - -
Bücher können diese "Trockenübungen" hervorragend vorbereiten, sie
bieten zudem den Vorteil, von Experten des Fachs verfasst zu sein und Sachverhalte bis
zum völligen Verständnis nachlesen zu können.
Im Folgenden sind Bücher beschrieben, die sich mit dem Thema sportliches
Fahren u. Fahrtechniken befassen. Sie sind auf das Fahren auf der Rennstrecke
ausgerichtet, aber die Inhalte gelten genauso auf schnellen, übersichtlichen
Straßenabschnitten und alle Bücher gehen auch auf diesen Punkt ein.
(Bei der Inhaltsbeschreibung ist jeweils der
Seitenumfang des abgehandelten Themas angegeben. Die Bewertungen sind meine
persönliche Meinung und selbstverständlich subjektiv).
Die Preise liegen zur Zeit bei allen vier Büchern bei ca. 22,- Euro. Erhältlich
sind sie in jeder großen Buchhandlung bzw. bei Louis, Hein Gericke oder Polo.
- Lee Parks: Total Control - High Performance Street Riding Techniques" (dt. Titel: "Alles im Griff")
- Inhalt
behandeltes Thema |
Seiten |
Fahrwerk: Reifen, Haftung |
5 |
Lenkgeometrie, Lenktechnik, Gegenlenken |
5 |
Federung, Federraten, Dämpfung |
10 |
Psychologische Faktoren, Angst, Konzentration |
14 |
Sicht- und Blicktechnik |
4 |
Linienwahl in Kurven |
8 |
Gasgeben |
6 |
Schalttechnik |
4 |
Bremstechnik |
4 |
Kurvenfahrtechnik, Hanging Off |
10 |
Langsame Kehrtwenden u. schnelles Fahren mit Sozia |
10 |
Maschinenvorbereitung (Einstellen der Federung, Sitz-und Hebelergonomie, Aerdodynamik) |
30 |
Vorbereitung des Fahrers f. Straße u. Rennen (körperliche Vorbereitung, Kleidung) |
14 |
Vorbereitung des Motorrades f. die Rennenstrecke |
12 |
- positiv
- Perfekte Gliederung, sehr übersichtliches Layout
- Farbbilder u. Zeichnungen werden punktgenau zur Erklärung der Sachverhalte eingesetzt.
- Spezielle Übungen zu den Fahrtechniken (z.B. schnelles Schalten, simultanes
Bremsen-Gasgeben, kontrolliertes Anbremsen etc) werden vorgestellt
- Viele wichtige technische Informationen für Anfänger und Fortgeschrittene (z.B.
exzellente Darstellung d. Federungs-Einstellung)
- negativ
- Die Detailgenauigkeit kommt in einigen Punkten (Kurvenplanung, Kurventypen u.
-profile) nicht an Keith Code heran.
- Als Amerikaner kommt der Autor wohl nicht umhin, ein paar Laotse-Sprüche mit
laienphilosophischen Erfolgsrezpeten reinzumischen. Nun ja, über die zwei, drei
Stellen im Buch kann man hinwegsehen :)
- Fazit
Ein neu auf den Markt gekommenes Werk.
Das Buch kombiniert Grundlagen der Fahr- und Fahrwerkstechnik und stellt somit das perfekte Buch
zum Einstieg in die Thematik des schnellen und kontrollierten Motorradfahrens auf
Straße und Rennstrecke dar.
Trotzdem macht es Sinn, sich mindestens Band II von Keith Code als Weiterführung insbesondere
für den Bereich der Selbstkontrolle und der Mensch-Maschine-Wechselwirkung zuzulegen.
- Keith Code: A Twist of the Wrist - Band I (dt. Titel: "Der richtige Dreh - Band I")
- Inhalt
behandeltes Thema |
Seiten |
Fahrbahnanalyse (Kurventypen, Straßenprofile) |
10 |
Blicktechnik, Orientierungspunkte |
12 |
Timing beim Kurvenfahren |
10 |
Hemmschwellen |
10 |
Bremstechnik, Geschwindigkeitsregulierung in Kurven, simultaner Einsatz
von Bremse, Kupplung u. Gas |
18 |
Lenken (Gegenlenken) |
4 |
Sliding, Powerslides, Bremsslides |
4 |
Hanging Off |
8 |
Überholen auf der Rennstrecke |
6 |
Rennstrecke: Streckenanalyse/protokol |
6 |
Stürzen |
6 |
Sponsoren suchen |
8 |
- positiv
- Alle wichtigen Fahrtechniken werden erklärt.
- Das Konzept der "Entscheidung" und dessen Betonung für das Fahren ist gelungen
- negativ
- Typisch amerikanischer Schreibstil ("Wenn Du willst, schaffst Du es"), wenn
man gar nicht damit zurecht kommt, soll man das Buch beiseite lassen.
- Das Konzept des "Produktes" klingt amerikanisch und bringt auch
meiner Meinung nach nicht viel.
- Das Kapitel über Sponsoring ist für Straßen- und
gelegentliches Rennstreckenfahren unnütz
- Fazit
Der erste Band von Code vermittelt klar die wichstigen Fahrtechniken für Straßen- und
Rennstreckenfahren. Dabei werden ebenso fahrtechnische und didaktische Konzepte (Entscheidung,
Produkt, Timing, Planung) eingesetzt. Empfehlenswert.
- Keith Code: A Twist of the Wrist - Band II (dt. Titel: "Der richtige Dreh - Band II")
- Inhalt
behandeltes Thema |
Seiten |
Instinktive Fehlreationen (Schutzreaktionen), Definition |
6 |
Technik des Gasgebens u. dessen Auswirkungen auf Fahrverhalten, Fahrwerk,
u. Schutzreaktionen |
30 |
Fahrerhaltung und -verhalten, Sliding, Fahrwerksunruhen |
24 |
Lenktechnik (Kurvenplanung, Gegenlenken, Einlenken, Sitzhaltung) |
40 |
Blick- und Orientierungstechnik |
15 |
Bremstechnik |
5 |
Traktion |
5 |
Rennen fahren - einige Bemerkungen dazu |
7 |
- positiv
- Das Buch basiert komplett auf dem Konzept der instinktiven Fehlreaktionen (Schutzreaktionen),
sämtliche Kapitel sind hieraus entwickelt. Die Behandlung der Schutzreaktionen, ihre
Wechselwirkung mit den erläuterten Fahrtechniken und Reaktionen des Motorrades, ist
meisterhaft.
- sehr didaktisch geschrieben. Wichtige Aspekte werden dem Leser durch
mehrfache Wiederhohlung regelrecht eingebläut, ohne daß dieser es
zunächst wahrnimmt.
- Code bring seine "Message", daß Motorradfahren ständige geiste
Aktivität und das Wissen "um das was man tut" erfordert, sehr
eindrücklich rüber.
- negativ
- Typisch amerikanischer Schreibstil ("Wenn Du willst, schaffst Du es"), wenn
man gar nicht damit zurecht kommt, soll man das Buch beiseite lassen.
- An zwei oder drei Stellen sind die physikalischen Erklärungen etwas
"holprig". Das kann aber auch an der deutschen Übersetzung liegen.
- Das Buch ist nicht struktiert im Sinne einer klaren deutschen Gliederung.
Man sollte nicht einzelne Kapitel zum Lesen "herauspicken", da
die Themen stark ineinander verzweigt sind.
- Fazit
Wenn einen der amerikanische Schreibstil nicht zu sehr abgeschreckt, ein genial
aufgebautes Buch, man möchte fast sagen ein Gesamtkunstwerk.
Obwohl sich
viele Themen mit Band I zu überschneiden scheinen, werden sie hier erweitert bzw.
in anderen Zusammenhängen behandelt. Sehr empfehlenswert.
- Harry Niemann: Der Kniff mit dem Knie
- Inhalt
behandeltes Thema |
Seiten |
Übersicht historischer Rennsport und technische Entwicklung |
10 |
historische Fahrstile |
10 |
heutige Fahrstile (klassisch, Hanging Off, Drücken) Vor/Nachteile |
10 |
Schräglagensensoren |
3 |
Windschattenfahren |
2 |
Bremsen und Kammerscher Kreis |
4 |
Bremsen und ABS |
6 |
Ausbremsmanöver |
4 |
Tourenfahren |
10 |
Streckenanalyse (Kurventypen, Fahrbahnprofile, und die Auswirkung auf die Federung) |
24 |
Kurvenfallen auf der Stra&sszlig; |
5 |
Fahren auf der Rennstrecke (Flaggen/Boxensignale, Streckenanalyse/protokoll,
Maschinenvorbereitung, körperliche Vorbereitung |
45 |
Praktische Fahrübungen (entsprechen Standardübungen aus der Fahrschule!!) |
6 |
Moto-Aktiv Werbung |
25 |
Stürzen |
15 |
- positiv
- Im Ansatz gegliedert, leider wird die Gliederung nicht umgesetzt
- Sprache i.d.R. sehr sachlich
- einige Themen, die bei Code oder Parks nicht behandelt werden
(Windschattenfahren, Ausbremsen, Kammerscher Kreis)
- negativ
- Schlechte Edition, viele Druckfehler
- die ständigen Ermahnerei ("Loud is out", "sei ritterlich", "benimm Dich gut")
ist schlichtweg nervig. Was hat das in einem Buch über Fahrtechnik zu suchen?
- Viele Anekdoten und -dötchen. Nett, aber trägt nichts zur Sache bei.
Teilweise projeziert sich der Autor selbst.
- Mit Farbbildern vom X in Schräglage hier und vom Y in Schräglage dort
überhäuft. Alleine im Kapitel "Fahren auf Rennstrecken" sind von insgesamt
45 Seiten 21 (!!) mit Farbbildern gefüllt, von denen 95 % nichts zur Sache
beitragen!
- 25 Seiten Schleichwerbung für "Moto-Aktiv"-Trainings sind eine Zumutung
- Viele scherzhafte Handzeichnungen sollen auflockern, naja, ich finde, sie füllen
nur Platz
- Fazit
Viele Farbbilder und Drumherum-Information (Ankdoten, Historien, technische Spekulationen,
unsägliche Moto-Aktiv-Werbung, ja selbst Anleitung zum Beladen einer Tourenmaschine)
sind zwar nett zum Lesen und Gucken, bringen aber das Thema Fahrtechnik nicht weiter, sondern
füllen hauptsächlich Seiten.
Zudem entspringt das Buch merkbar einer Zeit, als man GP-Rennen noch auf abgesperrten
Straßen fuhr. Nicht empfehlenswert!
- Bernd Spiegel: Die obere Hälfte des Motorrades
- Fazit
Endlich habe ich diesen "Klassiker" in die Hände bekommen. Geschrieben vom Psychologen
und Verhaltensforscher Prod. Dr. Bernt Spiegel (vgl. www.spiegel-institut.de) entzieht sich dieses Buch
einer schematischen Analyse in "positiv" und "negativ". Nicht leicht zu lesen - Herr Spiegel kann seinen
akademischen Hintergrund nicht verbergen - spannt es den Bogen vom Bogenschiessen, Golfspielen und
Reitsport bis hin zum Verhaltensforscher Lorentz, Kaiser Karl dem Großsen oder dem Jazzer Dizzy Gillespie.
Es ist eine ganzheitliche Betrachtung der Interaktion "Fahrer-Maschine" unter dem Aspekt des Zusammenspiels
von Unter- und Bewustsein. Physikalische Vorgänge werden eher beiläufig gestreift. Wer sich
Kochrezepte zum Abstimmen von Fahrwerken erhofft, liest das falsche Buch.
Ins Auge springend vor allem der krasse Gegensatz zu den amerikanischen Werken, die die rationale Kontrolle
(wie der engl. Titel von
© RRR.DE - Franky