Tagchen.
Natürlich will auch ich nicht hinter den anderen verwegenen
Internet-Bikern zurückstehen und die MF99 aus meiner Sicht schildern.
Leider fehlt dabei ein ganzer Tag.
Doch von vorne: Freitag abend, kurz vor sechs: Ich packe alles nötige in
die Packrolle, überlege noch, was ich im Rucksack verstaue, und schaffe
irgendwann Packrolle und Zelt auf die XT. Schon Stunden vorher hatte ich
die Vorspannung des Federbeins erhöht. Scheint zu passen.
Leider kann man das vom Wetter nicht behaupten. Gegen Mittag hatte der
Regen kurz aufgehört, seit drei Stunden wird er immer stärker, und nun
schüttet es schlichtweg. Also vernüftig anziehen: Die frisch
imprägnierte Textilhose mit Futter, Lederjacke und Regenjacke drüber.
Außerdem dicke Tourenhandschuhe mit Membran, die dünnen sind im Rucksack
verstaut. Es ist kurz nach 18 Uhr, als ich die XT starte - unbeeindruckt
vom Regen springt sie an. Allerdings protestiert sie mit verzögerte
Gasannahme, als ich 200 Meter später den Choke zurücknehme.
Die Route führt mich vom unterfränkischen Karlstadt über Marktheidenfeld
und Werthheim nach Miltenberg. Nach Marktheidenfeld wirds kurviger, aber
nicht trockener. Wieso soll ich da nur 30 fahren? Ach ja, da stand ein
ja ein Schild "Ölspur". Was solls. Gleiches ergab sich zwischen Wertheim
und Miltenberg nochmals, da sah ich allerdings den Aspahlt neben dem
Motorrad schimmern.
So, Kreuzwertheim ist vorbei. Es folgt eine landschaftlich eigentlich
schöne Strecke. Doch ich bin nur mit den Dosen vor mir beschäftigt...
wieso können die nicht schneller als 80? Und werden in den Kruven noch
langsamer? Jetzt könnte ich überholen. Aber da vorne blinkts blau.
Irgendwie hat jemand seine Dose aufs Dach gelegt. Hauptsache, die Grünen
interessieren sich nicht für meinen Vorderreifen, der seit 500 km auf
den TWI läuft.
Miltenberg: 18 Grad, Regen, aber freie Straßen. Vor Amorbach gehts
rechts ab. Irgendwann laufe ich auf eine Gruppe aus vier Dosen auf -
genau vor den ersten Kurven des Odenwalds und der B47. Komische
Fahrweise - zu langsam in den Kurven, auf den Geraden gerade so schnell,
daß ich mir Überholen verkneife. Außerdem halten sie kaum Abstand. Auf
der einzigen Geraden > 200 m wollen die hinteren drei überholen, da
gibt der vordere derart Gas, daß nur der zweit mit Mühe und Not
vorkommt. Danach hält er wieder alle auf.
Ein Glück - unsere Wege trennen sich, wo auch immer das war.
Michelstadt. 18 Grad, kein Regen mehr, aber nasse Straße. Scheint glatt
zu sein, meinen meine Stiefel. Anfahrtest.... das Vorderrad steigt -
wohl doch nicht so schlecht, der Belag. Und kaum mehr Verkehr, aber
nette Kurven.
Hey, das fängt ja an Spaß zu machen. An das Fahrverhalten mit Gepäck
habe ich mich auch langsam gewöhnt, so daß ich die im Weg stehenden
Dosen nun doch überholen kann. Jetzt nur nicht übermötig werden, da war
doch noch was mit dem Vorderreifen? Außerdem fangen die
Bilson-Ohrstöpseln langsam an zu drücken. Ich werde sie beim Tanken
rausnehmen, wahrscheinlich so in 40 km... Aha, jetzt geht die Straße
bergab und ist trocken. Ich genieße zusätzlich den Blick ins Tal und das
beginnende Abendrot.
In irgendeiner Ortschaft fangen dann die Baustellen an, die Reststraße
ist aber so breit, daß ich schneller als 30 fahren kann... Überhaupt
bestehen die letzten Kilometer bis Bensheim vorwiegend aus
Ortsdurchfahrten. Egal, ich tanke und entledige mich der Regenjacke und
den Ohrstöpseln. Die dämliche Textilhose ist nach wie vor zwischen den
Beinen undicht, ein unschönes Gefühl. dort feucht zu sein.
Nach Bensheim wird die B47 zweispurig - Gas! Die Tachonadel steigt auf
130, Himmel ist das laut unterm Helm, ohne Stopfen. Auf dem wieder
einspurigen Teil begnüge ich mich deshalb mit etwas weniger.
"Worms" steht auf dem Ortsschild kurz vor der Rheinbrücke. Fast
geschafft! Irgendwie fühle ich mich wie ein Sieger, deshalb fahre ich
auf der Brücke bis unters Tor im Stehen - hm, Hochwasser ist in Worms
anscheinend nicht. Schon nach einmal verfahren finde ich den richtigen
Weg zum MF-Gelände. Zwischendurch brenne ich noch eine F650 in Worms
her, die sich an den Ampeln immer brav hinter den Dosen einreiht.
Uih, der Zeltplatz auf der MF ist aber schon voll, als ich gegen 21:15
Uhr dort eintreffe. 185 km Strecke sagt die Klorolle. Nett. Schnell Zelt
aufgebaut, Jeans übergestreift und den Zapfhahn gesucht. Ich treffe im
Laufe des Abend Frau Kohrs, Kay, DC, Kathinka sehe ich ins Zelt
schleichen, und ein verwegener Domi-Treiber schildert mir seine Probleme
mit dem "stehend Fahren". Sehr interessant. Außerdem riecht es irgenwie
des öfteren nach verbrannten Gummi und aus dem Auspuff einer GSX750
kommen Funken.
Irgendwann nach Mitternacht beschließe ich, es sei Zeit, ins Bett zu
gehen. Doch finde ich keinen Schlaf: Die Musik ist zu laut, noch lauter
schnarcht jemand im Nebenzelt, und das Gebrumme eines Traktors (?) trägt
auch nicht zum einpennen bei. Deshalb breche ich gegen 3.30 Uhr zu einem
Spaziergang auf - nach dem Treker schauen.
Der Traktor entpuppt sich als seltsame Maschine mitten auf einem Acker.
Als ich hinlaufen will, versinke ich zwei Meter davor fast im Schlamm.
Komisch, am Ackerrand war der Boden pfurztrocken. Am Samstag morgen
erfahre ich von einem Bauern, daß es eine Brunnenpumpe zur
Feldbewässerung ist.
Als ich zurückkomme, versucht jemand auf dem Parkplatz, eine SRX
anzukicken. Ich gehe in Richtung Klo, um meine Schuhe etwas zu säubern.
Plötzlich ein metallisches Geräusch und Gelächter - beim Ankicken traf
der Kickstarter auf die Fußraste, und die gab nach. Der Treter (Hilli?)
beruft sich mit den Worten "ich bin doch kein Huftier" auf einen
Materialfehler.
So gegen 4.30 Uhr werden plötzlich eine Trailmaschine und mehrere
Enduros gestartet. Schon interessant, wenn angetrunkene Stoppies,
Wheelies und Power-Drifts üben. Als die Show vorbei ist, probiere ichs
im Zelt nochmal mit schlafen. Irgendwann geht die Wasserpumpe aus, dafür
fahren jetzt Laster draußen herum und irgend wer nimmt einen
Steinbrecher in Betrieb.
Also gut - aufstehen, Partner zum Reifenwechseln suchen. Frau Kohrs ist
so freundlich. Nachdem er bei der Pfeddersheimer Sparkasse Geld getankt
hat, machen wir uns über die Autobahn auf zu Vuidar. Von gelegentlichen
Schauern und Windböen abgesehen, eine recht langweilige Fahrt. Im
letzten Moment finden mir den Wegweise zu Vuidar: Wenn man von der
Autobahn kommt, geradeaus über die Kreuzung.
Zum Vuidar ist zu sagen: Die drei Reifenmonteure schaffen echt was weg,
und mir wäre die XT fast umgeflogen, weil ich sie nur vorne mit einem
Montageständer aufgebockt hatte. Später lese ich zuhause in einem
Katalog, Montagständer für vorne sollte man nur mit solchen für hinten
zusammen verwenden, ich weiß jetzt auch, warum.
Auf der Rückfahrt zur MF fahre ich voraus - schlicht über Landstraßen.
War kürzer und schöner, bis auf das Fragezeichen im Bauch "Greift der
Vorderreifen schon". Matthias ging es wohl nicht besser, hatte er doch
neue Bridgestones auf beiden Rädern. Gleichzeitig habe ich dabei einen
impossanten Windradpark "auf dem höchsten Hochplateau Rheinhessens"
entdeckt, den ich mir am Samstagnachmittag dann genauestens angeschaut
habe.
Genau genommen waren es zwei Windparks. Einer ging im Januar 98 in
Betrieb und besteht aus drei Windrädern a 1000 KW. Der andere besteht
aus viel mehr Windrädern unterschiedlicher Bauweise. Einige laufen
schon, andere werden gerade montiert. Unter anderem war an einem
60-Meter hohen Gittermast eine Leiter montiert. Als Weichei habe ich von
einer Besteigung Abstand genommen, es blies schon am Boden mächtig.
Als ich zur MF zurückkehre, ist der Sound-Contest in vollem Gange.
Irgendwann später hole ich Fleisch und Wurst aus dem Kühlschrank und
fange an zu grillen. Als ich danach Teller und Besteck ins Zelt bringe,
höre ich auf einmal doppel Musik. Ich suche die zweite Quelle, scheint
eine Halle in Richtung Worms zu sein. Dabei sehe ich auch die legendäre
Kies/Sandgrube hinter der Reitanlage. Nicht schlecht, der Boden ist in
Pfeddersheim doch ganz anders aufgebaut als im unterfränkischen
Karlstadt. Das deutet schon der sehr helle sandige Humus auf den
Reitplätzen an. Und der scheinbar schneeweise Quarzsand unten in der
Sandgrube schaut von oben auch toll aus. Ich versichere hiermit, alles
nur durch den Zaun angeschaut zu haben.
Auf dem Rückweg zum Zapfhahn habe ich dann eine dumme Idee: Ich hebe den
rechten Fuß,, schiebe ihn zum Hintern und ziehe ihn mit der Hand hoch,
um nach Dreck in den Schuhen zu sehen. Als ich den Fuß los lasse,
schnalzt er unkontrolliert nach vorne und mein Knie schickt mir
schmerzhafte Grüße. Ich schaffe es gerade noch, zu dem Tisch zu humpeln,
an dem Kay Stunden zuvor die Kohle eingetrieben hatte.
Ich versuche, Kay aufzutreiben, leider ist er nicht da. DC fährt mich
schließlich ins Wormser Stadt-Krankenhaus, geleitet von einem flotten
Fahrer auf einer MuZ. Mir schwant nichts Gutes, genauso fühlte sich das
Knie vor letzten der Operation im April 98 auch an. Zweimal wurde der
Innenmeniskus an der Kapsel schon angenäht. "Nochmal mach ich das nicht"
hatte mir der Chirurg beim letztenmal gesagt und mir zwei Monate
Reha-Phase verordnet. Falls die Naht erneut reißt, würde der Mensikus
fast vollständig entfernt werden, was mit hoher Wahrscheinlichkeit
Arthrose zum 50. Geburtstag bedeuten würde.
Im Wormser Stadtkrankenhaus schiebt mich DC mit einem Rollstuhl in die
Aufnahme (danke nochmals!). Eine Blondinne verlangt nach meiner
Versichertenkarte. Doch der Scheiß Computer ist der Meinung, eine
DAK-Karlstadt gäbe es nicht. Auch die Versuche "DAK-Würzburg",
"DAK-Nürnberg" und "DAK-Frankfurt" scheitern. Schließlich gibt sie
"DAK-Worms" ein und schiebt mich zum Röntgen.
Die Röntgenassistentin ist die nächste unfähige Frau: "Sie müssen ihr
Knie weiter strecken". Soso. Geht erstens nicht, und tut zweitens
trotzdem höllisch weh. Irgendwie kann Sie dann doch röntgen. Wenig
später sitzte ich auf dem Flur vor dem eigentlichen Behandlungszimmer,
zunächst noch mit den Röntgenbildern. Meine Diagnose lautet schlicht
"OB". Neben mir ein Jüngling, der bei einer Schlägerei eins auf die Nase
bekommen hat und noch einen Bruch befürchet. IMHO ebenfalls "OB".
Aha. Auch der Arzt konnte auf den Röntgenbilder gar nichts erkennen. Er
macht mir Mut - wenn die Meniskusnaht hin wäre, müßte das Knie viel
stärker geschwollen sein, er kann aber keinen Erguß ertasten. Ich bitte
im Krücken, kriege aber keine. Ich müßte sie bei meiner Krankenkasse in
Karlstadt abgeben, will sie aber nicht aufs Moped schnallen. Auf die
Rückgabe durch das MF-Team läßt sich in der Klinik niemand ein. So
bleibt es bei ziehen, drücken und biegen sowei einem Verband ums Knie
und zwei Voltarenkapseln. Eine Tube Voltaren-Gel habe sie leider auch
nicht...
Ich humple vors Krankenhaus und rufe per Handy Kay an, der mich
freundlicherweise zusammen mit Karin und ? abholt (1000 Dank!). Nebenbei
überlege ich mir, ob es für die Geräte im Krankenhaus wirklich ein
Unterschied ist, ob man vor oder im Krankenhaus per Handy telefoniert.
Ich muß übrigens bemerken: Vor der Klinik und auf dem Reitplatz ist die
Netzabdeckung von E-Plus optimal.
Auf der MF verfolge ich noch, wie Kay seine Geschenke kriegt, dann haue
ich michs ins Zelt - Voltaren und Bier vertragen sich leider nicht. Elwu
hatte mir noch etwas von einem Liegestuhl erzählt, doch erst als ich vom
armen Reto lese, weiß ich, wie das gemeint war.
Nach den Geräuschen zu schließen, wars eine geile Feier. Besonders JBO
kam wohl mal wieder gut. Am Sonntag entscheide ich mich zur Abreise,
obgleich mich die O-Fahrt schon reizen würde. Doch ich weiß ja nicht,
wie lange ich mit diesem Knie noch Motorrad fahren kann. Vorher spende
ich noch mein Restfleisch, eine halbe Stolle selbstgebackenes Brot und
eine halbes Glas Wurst den noch anwesenden Moped-Fahrern.
Die Rückfahrt verlief irgendwie komisch. Ich hatte erfreulicherweise
keine Knieprobleme und wählte die gleiche Route wie auf dem Hinweg,
diesmal ganz im trockenen. Dennoch machte es deutlich weniger Spaß,
aufgrund des dichten Dosenverkehrs. Entweder mußte ich hinter den Dosen
herzuckeln, oder hektisch überholen und dann vor der nächsten Kurve in
die Eisen. Und gerade, wenn ein bißchen das Gefühl für die Kurven
aufkam, lief ich auf die nächste Schlange auf. Dazu kam der Stau in
diversen Ortschaften, in einer war gar Kirmes. Alles in allen habe ich
trotz trockener Straße und keinem Tankaufenthalt für die Rückfahrt zehn
Minuten länger gebraucht.
Am Dienstag bin ich dann zum Arzt. Jener Orthopäde hat einen guten Ruf,
was mir zwei Stunden Gelegenheit bot, sein Wartezimmer anzuschauen. Er
hat seinen Ruf aber zu Recht, unter anderem versteht er es, mit seinem
Ultraschallgerät umzugehen. Seine Diagnose: Vom Außenmeniskus fehlt
hinten ein Stück (entweder mal abgerissen oder bei der letzten
Athroskopie vorsorglich entfernt), aber die Innenmeniskusnaht ist
intakt. "Ich kann den Innenmenskus im vorderen Bereich mit Ultraschall
nicht finden, und das ist gut so. Könnte ich ihn finden, wäre er nicht
da, wo er hingehört".
Er hat mir wiederum das Bein verbunden, allerdings mit einer
"Gummibinde" und viel Voltaren-Gel und bis Freitag Voltaren
verschrieben. Wenn ich das Bein am Freitag nicht strecken kann, muß ich
in den nächsten Wochen zur Athroskopie. Da die Naht jedoch allem
Anschein nach in Takt ist, würde das nur eine klitzekleine Geschichte.
Auch in komme nicht umhin, Kay und dem ganzen MF-Team eine verschärftes
Lob auszusprechen. Da hat wirklich alles gepaßt. Ich bin schon gespannt
auf die MF2000, wenngleich ich mir keine Anfahrt mit der XT vorstellen
kann.
cu.
Juergen
--
Mopped: XT600E (die kleine schwarze)
Laster: Keine (Was soll ich mit nem Truck?)
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