From: Michael Dunin v. Przychowski, MDvP@gmx.de
Subject: Re: Freizeitvergnuegen_mit_zahlreichen_Gefahrenmomenten?
Date: Fri, 07 May 1999 04:19:31 +0200
Organization: *

Wolfgang Strobl wrote:

> Fakt ist, daß breitere Reifen keine Bogensekunde mehr Schräglage
> erfordern, sofern nicht ein anderer Faktor hinzukommt; ein
> unterschiedlich hoher Schwerpunkt.  

Ne und ne. Obwohl ich mich (als Physiker) bemüht habe es
mathematikerverständlich (gmd läßt mich das annehmen) auszudrücken, hast
es offensichtlich auch nicht wesentlich besser verstanden als andere.
Bei gegebenem Schwerpunkt ändert die Reifenbreite sehrwohl den
Differenzwinkel zwischen physikalischer Schräglage und Hochachse. Die
physikalische Schräglage eines einspurigen Fahrzeugs ergibt sich aus dem
Gleichgewicht der Gewichtskraft und der Zentrifugalkraft, die jeweils im
Schwerpunkt angreifen. Diese Schräglage ist durch eine Ebene definiert,
die durch drei Punkte bestimmt ist: Dem Reifenaufstandspunkt des
Vorderrads, dem des Hinterrads und dem Schwerpunkt. Betrachtet man nun
den Differnzwinkel zwischen Fahrzeughochachse und dieser Ebene, so ist
dieser eine Funktion des Schwerpunkts _und_ der Verlagerung der
Reifenaufstandspunkte. Am Hinterrad ist diese Verlagerung eine Funktion
von Reifenbreite und Reifenkontour, beim Vorderrad kommt noch die
Spurveränderung durch Lenkwinkel, Lenkkopfwinkel und Nachlauf dazu
(wirkt sich eigentlich auch auf das Hinterrad aus, aber das
vernachlässige ich hier mal). 
Zusammenfassend kann man nun allgemeinverständlich sagen (mit:
Schräglage := Neigung der Fahrzeughochachse zur Fahrbahnnormalen):
- Bei infinitesimaler Reifenbreite ist die Schwerpunktlage nicht
relevant, ansonsten:
- Ein breiterer Reifen erfordert eine höhere Schräglage.
- Ein niedrigrer Schwerpunkt erfordert eine höhere Schräglage.
- Ein flacher Lenkkopfwinkel erfordert eine höhere Schräglage.

> Und noch eins. Die ganze Diskussion mutet mich etwas akademisch an.

Allerdings, mich auch, wie Du bereits bemerkt hast, ist die auf die
Fahrbahn projezierte Breitenänderung des Fahrzeugs etwa zwei Hand breit.

> Meiner Erfahrung nach 

Argll, die persönlichen Erfahrungen führt in dieser Diskussion jeder an,
ohne Rücksicht auf Fakten. 

> bestimmt sich in schnell gefahrenen Kurven der
> notwendige Abstand zum rechten Straßenrand viel weniger aus
> geringfügigen Unterschieden der Breite der Projektion der
> Fahrzeugsilhouette auf den Boden (die liegen ja nur im Bereich von
> wenigen Zentimetern), sondern darin, welche Fahrlinien überhaupt
> möglich sind. 

Ah, guter Ansatz, da kann ich meine Meinung zu dem ganzen Thread mal
anbringen und dabei versuchen sie mit physikalischen Fakten zu
untermauern. 

1) Vorbemerkung/physikalische Grundlagen:
1.1) Die Richtungsstabilität eine einspurigen Fahrzeugs ist durch die
Kreiselkräfte der Räder, den Radstand, den Lenkkopfwinkel und den
Nachlauf gegeben. Radstand (~2m), Lenkkopfwinkel (~60°) und Nachlauf
(~100mm) sind bei Fahrrad und Mopped in etwa identisch, die
Kreiselkräfte der Räder unterscheiden sich aber und sind beim Mopped
afaik wesentlich größer. Der größere Raddurchmesser (28" zu 17") des
Fahrrads steht hier einer  wesentlich geringeren rotierenden Masse
(Mopped: Felge ~8kg, Reifen ~3kg, Radl: k. Ahnunug, aber wesentlich
weniger) gegenüber. Diese Kreiselkräfte, und damit die
Richtungsstabilität, nehmen mit steigender Geschwindigkeit zu.  Ein
schnelleres Fahrzeug braucht daher (unabhängig von der Reaktionszeit des
Fahrers) mehr Weg um ein Ausweichmanöver einzuleiten.
1.2) Ein Mopped bewegt sich i.A. schneller als ein Radl. Der
Reaktionsweg eines Moppedfahrer ist also größer.
1.3) Ein Radler bringt eine Leistung von ein paar kW, ein Mopped ca. 20-
100 kW.
1.4) Ein Radler bringt aufgrund anatomischer Gegebenheiten Abstützkräfte
in den Lenker ein, die dem Vortrieb nicht dienlich sind, aber die
Richtungsstabilität beeinflussen.
1.5) Der nötige, seitliche Sicherheitabstand ist (wegen
1.1(Richtungsstabilität) und 1.2(Reaktionsweg)) eine Funktion der
Geschwindigkeitsdifferenz zum Fahrbahnrand bzw. zu dem Überholtem.

2.) Fahrzustände:
2.1) Bergab:
2.1.1) Radler: Er erreicht Geschwindigkeiten von 70-100 km/h. 1.5 zwingt
ihn einen entsprechenden Sicherheitsabstand zum Fahrbahnrand einzuhalten
um Dreck, Fahrbahnausbrüchen, etc, noch rechtzeitig ausweichen zu
können. Außerdem versucht er mangels Antrieb den Schwung durch die
Kurven zu retten.
2.1.2) Mopped: 1.2 gilt hier nicht! Ähnliche mittlere Geschw. und
Fahrspur. Brennt den Radler auf den Graden her, bremst aber die Kurven
an und steht dem (mutigen) Radler im Weg rum, der sich dann furchtbar
aufregt, da er Schwung verliert. Gute Motorradfahrer halten natürlich
die Geschw. trotz höherer Schräglage (vgl. Reifenbreite) und geraten
daher nicht in Konflikt mit den Radlern.

2.2) Bergauf:
2.2.1) Radler: Hier kommt 1.4. ins Spiel, was Kathinka zu einer typisch
weiblich, emotionalen Reaktion (aka Haß, einem der Ursprünge dieses
Treads) veranlasst hat. Er braucht wegen 1.4 viel Platz, das Mopped ist
aber wegen 1.2 und 1.3 viel schneller und braucht wegen 1.5 zusätzlich
Platz zum überholen. Dafür reicht aber z.T. eine Fahrspur nicht mehr
aus, was bei Gegenverkehr eben grade zu Katinkas Haß führte.
_Echte_Männer_[tm] reagieren solcherlei Emotionen latürlich sofort durch
Betätigung des Killschalters ab (vgl. Thread: "Erschreckende
Radfahrer").

2.3) Ebene:
2.3.1.1) schnelle Radler: brauche mehr Platz, siehe 2.2.1, aber 1.4. ist
nicht so extrem und 1.5 nicht so groß, daher können Moppedfahrer
meistens gefahrlos überholen.
2.3.1.2) andere Radler: treten konstant und ohne 1.4. Die Geschw. liegt
um die 20km/h. Diese Geschw. erlaubt (wegen 1.1) ein Fahren recht dicht
am Fahrbahnrand, der Dosen und Moppeds ein gefahrloses Überholen
ermöglicht.
2.3.2.1) schnelle Moppeds: überholen Radler wegen 1.2 und 1.3. Das
klappt bei 2.3.1.1 wegen geringerem 1.5 problemlos und bei 2.3.1.2 erst
recht, da diese Radler ja viel Platz lassen.
2.3.2.2) langsame Moppeds: warten i.A. auf ihre Mitfahrer, die auf der
vorherigen Kurvenstrecke gnadenlos hergebrannt wurden. Mir einer Geschw.
von ca. 30km/h fahren sie (wegen 1.1) eng an den rechten Fahrbahnrand
dedrängt (genauso wie 2.3.1.2), um den restlichen Verkehr nicht zu
behindern. Keine Probleme mir Radlern, wegen 1.5.

2.4) Kurven:
 Bei Kurve ist der seitliche Sicherheitabstand zum Fahrbahnrand auch
durch Geschw. und Sichtweite gegeben. Da nach Paragraph.X Abs.Y (soo
genau kenn ich mich da nicht aus, ist aber schon mehrfach zitiert
worden) der STVO die Geschw. der Sichtweise angepasst sein muß, strebt
jeder (flotte) Verkehrsteilnehmer nach einer möglichst großen Sichtweite
und nutzt beim Einfahren in Rechtskurven seine Fahrspur soweit wie
möglich nach links aus. Das ist ja auch für 2.1.1. gültig und üblich.

> Aus diesem Grunde braucht man in schnell
> gefahrenen Kurven mit dem Fahrrad ggfs. etwas mehr Platz als mit dem
> Motorrad. 

ersetzte "ggfs. etwas mehr" durch "genausoviel", dann passts.
Imo ist es hauptsächlich eine Frage der Geschwindigkeit. Bei hohen
Geschwindigkeiten brauchen Fahrrad und Motorrad in etwa den gleichen
Platz um entsprechenden Ausweichspielraum zu haben. Bei niedrigen
Geschwindigkeiten bergauf brauchen Fahrräder sogar mehr Platz, wegen des
taumelns. 

Michael

PS: Die Radler am Feldberg/Ts. sind inzwischen völlig assimiliert und
stellen imho keine Beeinträchtigung des Motorradverkehrs dar, andersrum
genauso. Man hat sich eben aneinander gewöhnt. Ganz im Gegensatz zu
einigen Dosen (vorzugsweise mit FB, OF oder F Kennzeichen), die trotz
erlaubter 100km/h mit 70 km/h und linken Rad _auf_ dem Mittelstreifen
das Vorwärtskommen erschweren. Da kann ich nur Kathinka in
<01be9636$41faabe0$3a01a8c0@ether58.BijouBrigitte> zustimmen, die da
schrieb:
KD> Es hat IMHO was mit Fainess zu tun, wenn langsame Verkehrsteilnehmer
KD> schnellere vorbeilassen. Ich sag nur: Fahren und fahren lassen!

Wenn sich da nur alle dran halten würden *seufz*

PPS: Ein Crash zwischen Radler und Motorradfahrer ist meistens für beide
gleich unangenehm und beide sind sich dessen bewust. Nur Dosentreiber
fühlen sich anscheinend zu sicher in ihren Karren.

PPPS: In der S-Kurve am kleinen Feldberg abwärts sind die Radler
verdammt schnell und brennen 90% der Motorradfahrer gnadenlos her (Mich
latürlich nicht, möchte ich mal so nebenbei bemerken;-)).
-- 
http://www.uni-mainz.de/~dunin     TSB#22
Duc 750 SS: rassige Italienerin
DR 350 SHC: langbeinige Japanerin