From: Hannes Birnbacher, ad-soft@t-online.de
Subject: Re: Hurra, ich .. - Frage
Date: 8 Nov 1997 09:13:45 GMT
Organization: T-Online

On Fri, 07 Nov 1997 09:31:53 +0100, Brigitte Sehan
 wrote:

>Juergen Ernst Guenther wrote:
>
>> 
>> Zum Beispiel um in der Kurve instinktiv vom Gas zu gehen
>> und dabei fuerchterlich aufs Maul zu fliegen.
>> 
>
>Fassen wir mal zusammen: Bremsen soll man nicht in der Kurve, vom Gas
>gehen auch nicht - was bleibt noch ? Schräger in die Kurve legen ?
>Wie muß ich mir das vorstellen - kann man sich, wenn man schon in der
>Kurve drin ist und merkt, man ist zu schnell noch schräger legen oder
>führt das "Rumgehampel" dann ebenfalls zum Abgang ?

Nee. Ich sags mal an einem Beispiel, vermutlich kanns jeder
hier genauso unterschreiben: 

Als alte Rheinbacherin kommt Dir vielleicht eine Strecke
bekannt vor, die irgendwo aus der Bonner Gegend auf
Euskirchen, Arloff und so zuführt. Die fantastisch
ausgebaute, wenn auch nur zweispurige Strasse ist plötzlich
zu Ende, wo der Kommune das Geld ausgegangen ist. Man hat
dort einen haushohen Hügel Kies hingeschüttet und der Weg
setzt sich rechtwinkelig zur vorigen Richtung über eine
uralte, holperige Dorfstrasse fort.
Bei der Annäherung an diese Stelle gab es folgende Phasen:
1. War da nicht ein komisches Schild mit einer 30 ?!
2. Huch, die Straße ist zu Ende, ich bin noch auf 80 und es
geht in einer engen Linkskurve weiter.
3. Jetzt tritt der allen Menschen angeborene Instinkt, in
der Kurve eine Vollbremsung zu machen, wenn einem was nicht
geheuer ist, zu Tage. Ferner tendiert die Blase dazu,
drucklos zu werden, um in der erkannten Gefahrenphase nicht
mit tödlichen Folgen zu platzen. In historischen Zeiten, bei
der plötzlichen Begegnung mit Säbelzahntigern und so, war
das sicher auch sinnvoll ...
4. Beidem ist möglichst zu widerstehen und RUNTER mit der
Kiste. Nur so lernt man, dass man auch ohne Anhalten und
Heck rumwuchten um eine Ecke kommen kann. Als ich fahren
lernte, war es Mode, das Motorrad zu drücken (den Körper
senkrecht zu halten und die Maschine durch Abknicken um so
tiefer zu legen), weil das schneller geht (weniger Masse um
die Längsachse zu kippen) als sich gerade in die Kurve zu
legen. Heute ist hanging-off eher gefragt. Das ist das, was
die ganz kühnen Fahrer in den ganz bunten Klamotten machen
(sieht aus, wie wenn der Affe vom Schleifstein runterturnt),
jedenfalls, wenn der Kurvenradius die fünfhundert Meter
nicht unterschreitet. (Wenn doch, dann schneiden sie einfach
die Kurve und kommen Dir auf Deiner eigenen Fahrspur
entgegen. Jedenfalls hier in der Eifel. Treffen sie in
derlei Phasen auf was Breites, Hartes, geben sie das
Motorradfahren auf. Daher die vielen Kreuze am Weg).
5. Bleibt zu bemerken, dass durch eine unerklärliche
optische Täuschung die Schräglage verstärkt gesehen wird.
D.h. bei ca. viereinhalb Grad Schräglage ist man überzeugt,
es den Rennfahrern in der Fernsehübertragung gleich zu tun,
deren Onboard-Kamera den Horizont im 45-Grad-Winkel
anschneidet. 
Es ist nur eine Täuschung - aber ziemlich mühsam, dem
Unterbewusstsein zu erklären, dass man sich noch zehnmal
weiter in die Kurve legen kann, ohne sich langzumachen, und
den schraubstockartigen Griff zur Vorderbremse zu
unterbinden.
6. Man braucht es auch nicht zu übertreiben. Aus Versehen
kommt man oft genug in die Verlegenheit, seine
Schräglagenfreiheit zu testen. Legt man es darauf an, kann
man auf jede Menge Hindernisse wie Kuhfladen auf dem
Kurvenhöhepunkt, Ölspuren, eine Schaufel runde Kieselsteine,
Überholer von vorne oder Holländer, die die Karte studieren,
treffen. In allen diesen Fällen muss die Schräglagenmethode
versagen;-).
7. Wer wirklich gut fahren kann, bremst auch in Schräglage,
wenn es sein muss. Er weiss nämlich, was geht und was nicht.

Exkurs: Es gibt da den Begriff des "Reibungskreises". Setzen
wir voraus, Du darfst bei einem hypothetischen
Reifenfabrikat "X" so schnell um die Ecke fahren ODER
bremsen, dass 140 Kilopond Zentrifugalkraft bzw. Verzögerung
angreifen, ohne dass das Mopped wegrutscht. Musst Du bremsen
und gleichzeitig eine Kurve durchfahren, müssten
logischerweise beide Kräfte so austariert werden, dass sie
sich niemals auf mehr als die 140 Kilo addieren. Wie
addieren sich Kräfte? Wie Striche auf einem Stück Papier.
Mache einen Punkt auf das Blatt (Dein Mopped), probiers mit
einem zehn Zentimeter langen Pfeil nach links (die
Zentrifugalkraft bei einer Rechtskurve), setze an dessen
SPITZE noch einen zehn Zentimeter langen Pfeil nach vorne
(die Verzögerungskraft, die beim Bremsen angreift) und messe
jetzt die Diagonale von dem Ausgangspunkt des ersten bis zur
Spitze des zweiten Pfeiles: aha, 14 Zentimeter (genau
gesagt, wählt man zwei zufällig gleiche Kräfte/Pfeile im
rechten Winkel zueinander, wie sich dies beim
Bremsen/Gaswegnehmen/Beschleunigen in der Kurve eben ergibt,
ist die resultierende Diagonale gleich 1,41... mal so lange
wie jeder einzelne; bei unterschiedlich starken Kräften ist
die Kombination natürlich jedesmal eine andere).  Kreis
heisst es natürlich deshalb, weil die Richtung egal ist; die
Addition von Kräften, egal in welcher Richtung, darf halt
nicht mehr über, in obigem Fall, einen Radius von 140 Kp
nicht hinausgehen. Fazit: Bremsen, wie es immer geklappt
hat, und um die Ecke fahren, wie es auch immer geklappt hat,
könnte in Kombination zuviel sein ...

(Ich lass das Bremsen lieber, wenn immer ich kann, und nehme
vorher Gas weg. Wer um eine Ecke fährt, ohne zu wissen, was
dahinter ist, und dann bei einem Problem nicht mehr anhalten
kann, hat irgendwas nicht rechtzeitig überdacht ... ;-).

Wer glaubt, ich habe mich selber ein wenig auf den Arm
genommen, hat recht.
Wer glaubt, ich habe irgendwo oben ihn auf den Arm genommen,
hats wahrscheinlich verdient;-)