From: Michael Dunin v. Przychowski, Dunin@mzdmza.zdv.uni-mainz.de
Subject: Kleine Batteriekunde (war: Starthilfe mit Dose) sehr lang
Date: Fri, 17 Oct 1997 00:09:31 +0200
Organization: Johannes Gutenberg-Universitaet Mainz, Germany

Hi E-Starter Fraktion,

ich hab hier so'n nettes keines Buechlein, nennt sich 
"Bleiakkumulatoren" Varta Fachbuchreihe Band 1.

Die wichtigsten Sachen will ich mal zusammenfassen:

Zuerst mal technisches zum Aufbau eines Bleiakkus:

Positive Platte: 
-wirksame Masse Bleidioxid PbO2 wird auf elektrochemischem Wege
(Formation, anodische Reaktion) aus Blei, Bleiglaette (PbO) und Mennige
(Pb3O4) hergestellt. Bleidioxid hat eine schwarzbraune Farbe.
-Aufbau der Platte als Grossoberflaechen-, Panzer- oder Gitterplatte.
Bei Starterbatterien meist als Gitterplatte. Dazu wird ein Gitter aus
Hartblei (Blei-Antimon-Legierung) mit einer Paste aus Bleioxiden 

bestrichen und diese durch Formation in PbO2 gewandelt.

Negative Platte:
-wirksame Masse ist fein verteiltes schwammiges Blei. Das Schwammblei
entsteht durch katodische Reaktion von Bleiverbindungen.
-Aufbau als Kastenplatte oder Gitterplatte.

Separation:
Um Kurzschluesse zu verhindern werden die Platten mit mikroporoesen
Scheidern getrennt. Ueblich sind gerippte oder gewellte Gummi- oder
Kunststoffscheider. Bei Starterbatterien ist die Einfachseparation 

ueblich.

Elektrolyt:
Als Elektrolyt wird verduennte Schwefelsaeure (H2SO4) verwendet.
reines Blei wird von starker Schwefelsaeure rein chemisch in Bleisulfat
verwandelt, von schwacher jedoch nicht. Die rein chemische Reaktion
beginnt bei einer Saeuredichte von 1.3 bis 1.35. Bleidioxid wird weder 

von schwacher, noch von starker S-saeure angegriffen, nur von
konzentrierter.

Ruhespannung der Zellen:
Die Ruhespannung haengt von der Dichte der Saeure ab. Als Faustregel
gilt: Die Ruhespannung ist die Dichte der Saeure + 0.84 Volt. Bei einer
Saeuredichte von 1.26 liefert die Zelle also 1.26 + 0.84 = 2.1 Volt.

Chemische Umwandlungen beim Entladen:
-Positive Platte: PbO2 + H2SO4 + 2 H + 2 e == PbSO4 + 2 H2O
Bleidioxid und S-saeure werden also unter Aufnahme von 2 Elektronen in
Bleisulfat und Wasser verwandelt.
-Negative Platte: Pb + SO4 == PbSO4 + 2 e
Das Schwammblei wird unter Aufnahme von Saeure in Bleisulfat gewandelt
und gibt zwei Elektronen ab.

Chemische Umwandlungen beim Laden:
Beim Laden werden die Vorgaenge umgedreht: also
-positive Platte: PbSO4 + 2 H2O + SO4 == PbO2 + 2 H2SO4 + 2 e
-negative Platte: PbSO4 + 2 H + 2 e == H2SO4 + Pb

Physikalische Vorgaenge bei Laden und Entladen:
Die wirksame Masse der Platten besteht aus einzelnen, miteinander
verketteten Koernchen, zwischen denen sich Hohlraeume (Poren) befinden.
In der negativen Platte sind auch inerte Partikel eingelagert, die die
Schwammblei-koernchen voneinander trennen. Nur die Saeure, die sich in
diesen Poren befindet traegt zur elektrochemischen Umwandlung bei. Sie
wird als innere Saeure bezeichnet. Der Dichteausgleich zwischen innerer
und aeusserer Saeure geschieht durch Diffusion.
Sowohl an der positiven, als auch an der negativen Platte entsteht
Bleisulfat. Da Bleisulfat ein Isolator ist, kann nicht die gesammte
wirksame Masse ungewandelt werden. Bleisulfat hat zudem ca. das 

eineinhalbfache Volumen von Bleidioxid und das dreifache des
Bleischwamms. Daher setzen sich die Poren bei der Entladung zu und
behinderen den Saeureausgleich.

Kapazitaet:
Wird in Amperestunden (Ah) gemessen und gibt die Ladung an, die ein Akku
bei Entladung mit konstantem Strom bis zum Erreichen einer vorgegebenen
Spannung (Entladeschlussspannung) in bestimmter Zeit abgeben kann. 
Die Kapazitaet ist nicht konstant!!! sondern vor allem von der Hoehe des
Stroms abhaengig. So ist die Kapazitaet ca doppelt so hoch, wenn statt
mit einstuendigem Strom mit 20-stuendigem entladen wird. 

Angegeben wird immer eine Nennkapazitaet bei vorgeschriebenen
Randbedingungen.
Die geringere Kapazitaet bei hohen Stroemen beruht haupsaechlich auf dem
Konzentrationsgefaelle zwischen innerer und ausserer Saeure. So ist die
K. auch bei niedrigen Temperaturen geringer, da die Viskositaet der 

Saeure ansteigt und die Diffusion behindert.


So und nun kommen wir zu den (fuer Motorradfahrer) interessanten Themen,
naemlich den Lade und Entlade-Vorgaengen:

Bei der Entladung sinkt die Zellenspannung und zwar zuerst stark, dann
erholt sie sich wieder ein bischen. Dieser Spannungssack entseht durch
das Konzentrationsgefaelle zwischen innerer und aeusserer Saeure. Wird 

die Entladung unterbrochen, so erholt sich die Spannung wieder, da der
Diffusionsprozess ja weiter laeuft. Beim Entladen mit hohem Strom kann
die Dichte der inneren Saeure auf 1 anfallen, d.h. es ist nur noch 

Wasser im inneren der Platten, die weitere Umwandlung findet daher nur
an den Oberflaechen der Platten statt und bildet eine Sulfatschicht.
Daher den Starter niemals zu lange laufen lassen, sondern Pausen 

machen.
In vielen Faellen tritt auch beim Laden zu Beginn ein Spannungsberg auf.
Seine Ursache ist jedoch eine vorruebergehende Erhoehung des ohmschen
Widerstands, hervorgerufen durch die schlecht leitende harte 

Sulfatschicht auf der Oberflaeche der positiven Platte. Beim Laden mit
grossen Stromstaerken (Schnelladung) kann hierbei sogar die
Gasungsspannung ueberschritten werden. Die Gasungsspannung liegt bei ca.
2.35-2.4 V. Bis zu dieser Spannung wird der Strom praktisch verlustlos
fuer die Umwandlung von Bleisulfat in Blei bzw Bleidioxid umgesetzt.
Erst mit Beginn der Gasentwicklung wird ein Teil des Stroms fuer die
Wasserzersetzung verbraucht. Bei Unterbrechung/Beendung des Ladevorgangs
faellt die Spannung sofort auf ca. 2.2V ab und von da ab langsam auf den
Wert -Dichte der Saeure +0.84-. Da die innere Saeuredichte bei Laden
immer hoeher ist, kann bei zu schnellem Laden die Dichte einen Wert
erreichen, der den Bleischwamm der negativen Platte chemisch in
Bleisulfat wandelt.

Tiefentladung
Die Platten haben normalerweise einen Ueberschuss an Masse. Wird die
Zelle zu tief entladen, so wird mehr Masse umgesetzt. Durch die
uebermaessige Volumenvergroesserung wird das Gefuege der Platten
unguenstig beeinflusst. Die positiven Platten werden sich kruemmen und
die wirksame Masse zerbroeseln. Bei der negativen Platte fallen die
inerten Stoffe aus und die Platte versintert beim Laden.

Staendige Teilentladung
Wird eine Zelle staendig zu knapp geladen, so wird die wirksame Masse
nich vollstaendig in Blei, bzw. Bleidioxid gewandelt. Es tritt eine
Sulfantation ein, die mit einer geringeren Dichte der Saeure und einem 

Kapazitaetsverlust verbunden ist.

Laden mit zu hohem Strom
Bis zur Gasungsspannung eher unkritisch, jedoch kann die innere Saeure
eine so hohe Dichte erreichen, dass die Umwandlung von Bleisulfat in
Bleischwamm gestoppt wird und die Platte versintert. Bei ueberschreiten 

der Gasungsspannung reissen die Gasblasen Bleioxidteilchen von der
positiven Platte ab. Diese Teilchen fallen zu Boden und wandern zum Teil
zur negativen Platte, wo sie in Bleischwamm umgewandelt werden. Diese 

Oberflaecheablagerungen koennen Kurzschluesse verursachen. Ausserdem
wird die Lebensdauer der positiven Platte stark verringert.

Ueberladen mit geringem Strom
Wird die Zelle zu lange geladen, so nutzt sich wie beim Laden mit zu
hohem Strom die positive Platte stark ab und es besteht
Kurzschlussgefahr durch ablagerungen an der negativen Platte.

Aber wie macht man's nun richtig?

- Laden mit konstanter Spannung ueber einen festen Widerstand
ist ok, aber nach erreichen der Gasungsspannung sollten Pausen eingelegt
werden (Poehlerschalter).

- Strombegrenztes Laden mit 2.4V/Zelle
ist optimal fuer schnelles,akkuschonendes Laden.

- Dauerladen - sollte mit einer Spannung erfolgen, die 0.1 V ueber der
Ruhespannung der Zellen liegt.

- Nachladen - mit niedrigem Strom, wobei noch Ruhepausen eigelegt werden
sollten.

- Ausgleichsladen 
dient zur Auffrischung des Akkus und soll die Platten regenerieren. 
Entladen mit niedrigem Strom (<20 stuendigem) mit Ruhepausen und bis ca.
80% der Nennkapazitaet entnommen sind. Danach mit <20 stuendigem Strom
aufladen, ebenfalls mit Pausen.

- Beseitigung der Sulfation - fuer ganz schwere Faelle
Um den Ausgleich zwischen innerer und ausserer Saeure zu erleichtern
senkt man die Dichte ab. Man saugt einen Teil der Saeure ab und ersetz
ihn durch Wasser. Danach laed man die Zellen mit geringem Strom auf 

(Pausen!) und fuerht danach ein (oder mehrere) Ausgleichsladen durch.
Nach der letzten Volladung (und einer Wartezeit) ersetzt man die Saeure.



Tips fuer den Gebrauch von Akkus:

- Niemals Tiefentladen
- Schnelladen nur bis zu Gasungsspannung,
   z.B. bei Starthilfe mit der Ruhespannung der Geberbatterie 
   (Motor des  Geberfahrzeugs laeuft nicht).
- moeglichst immer voll lagern
- Saeure nur bei Lecks nachfuellen, sonst nur destilliertes Wasser
- Saeuredichte nach dem Laden und einer angemessenen Diffusionszeit  
messen
- Bei laengeren Standzeiten: 
  - Erhaltungsladen (Dauerladen) 
    mit konstanterspannung von Ruhespannung + 0.1 V
  - oder mit niedrigem Strom bis zur Entladeschlussspannung 
    (ja nicht laenger) entladen und
  - mit geringem Strom wieder aufladen. 
    Dabei evtl. auch Pausen einlegen.
- Bei schlapper Batterie:
  - Wegschmeissen, neue kaufen, ODER
  - Desulfatisieren, d.h. 
    - Saeuredichte reduzieren 
      (Saeure teilweise absaugen, mit dest. Wasser auffuellen)
    - mit sehr niedrigem Strom und vielen Pausen entladen
    - mit sehr niedrigem Strom und vielen Pausen laden
    - Entlade- /Ladevorgaenge evtl. wiederholen
    - frische Saeure einfuellen


Soviel zu Bleiakkus

Michael, mit immer frischer Batterie