From: Juergen Ernst Guenther, muftix@asbach.noris.de
Subject: Re: Krankenhaus :-(
Date: 21 May 1997 09:40:05 +0200
Organization: Quell goettlicher Weisheit

thomas.junge@le-line.east.de (Thomas Junge) writes:

>Sei froh das Deinem Maedel nicht "mehr" passiert ist und bete das keine
>Komplikationen auftreten oder sonst etwas zurueckbleibt.

Aliquid semper haeret - irgendetwas bleibt immer zurueck.
Man kann einen Menschen nicht zerlegen und zusammenbauen
wie eine Maschine, und glauben, dass alles beim Alten ist.
Wer am Moped schraubt, weiss dass das genaugenommen nicht
mal fuer Maschinen gilt.

Wichtig ist vielmehr, ob nun die Pluspunkte oder die
Minuspunkte ueberwiegen. Und das kann man ganz entscheidend durch
die persoenliche Herangehensweise beeinflussen. Und, sagen wir's
mal so: "Ich kann das einfach nicht, ich will das nicht mehr",
"Den Drecks-Falschparker verklag' ich!" oder "Die boese Welt ist
immer so schlecht zu mir." sind falsche, weil inproduktive
Herangehensweisen.

Sie bringen dich selbst nicht weiter, schlimmer noch sie machen
auch alle Kanaele nach aussen dicht, und lassen die, die dir
eigentlich helfen wollen, wie Deppen aussehen. Natuerlich
_sind_ wir alle irgendwie Deppen, aber trotzdem wollen wir
das nicht laufend demonstriert kriegen.

Fuer mich waren Events, die zu Krankenhausaufenthalten fuehrten,
und das hat jetzt erst einmal gar nichts mit dem Motorradfahren
zu tun, immer so etwas wie Runden-Gongs. Du hast eine vor den
Latz gekriegt, und nun ist Pause, ob du willst oder nicht.
Und so eine Zwangspause ist die beste Moeglichkeit, endlich wieder
mal den groben Ueberblick zu bekommen, was man eigentlich so
tut, warum man das tut, und ob man das wirklich will, oder nur
glaubt jemandem einen Gefallen damit zu tun, auch wenn dieser
jemand man selber ist.

Ich hab fuer mich selbst bemerkt, dass bei mir diese dummen
Fumbles beim Motorradfahren und im Leben immer dann passieren,
wenn ich zuviel zu schnell erreichen will, in zuviele Richtungen
gleichzeitig losmarschiere, eine MZ auf Teufel komm raus wie
eine Kawasaki fahren will, oder eine BMW wie ein Auto, um wieder
zu den Motorraedern zurueck zu kommen. Aber das Motorradfahren
ist eben meist nur das Symptom. Das entscheidet es fuer mich
von allen anderen Fortbewegungmitteln/Sportarten, weil da eben
der Zeiger besonders deutlich ausschlaegt, wenn etwas nicht stimmt.

In den meisten Faellen geht das gerade noch mal gut, darin habe
ich mittlerweile schon Uebung, aber manchmal eben auch nicht.
Seltsamerweise oft im Banalen, wenn man mit sowas nicht rechnet.
Nur mal eben schnell ...  oder  Wo sind sie denn abgeblieben?


>Die vielen Warum's bringens nicht. Und warum willst Du Dir die absolute
>Schuld geben? Sie war einer Situation ausgesetzt, mit der sie nicht
>gerechnet hat und die man eigentlich auch nicht ueben kann.

Schuldzuweisungen und sonstige Gefuehlsduseleien bringen halt
nichts. Wenn man auf sowas steht, soll man sich besser Sissi-Filme
reinziehen. Ich bin schuld. Check. Weiter.

Und: Es gibt so gut wie keine bloede Situation, die dir nicht spaeter
in einer anderen bloeden Situation weiterhilft. Du musst dir nur
die Zeit nehmen, die Situation urteilsfrei zu verarbeiten.


>Vor dieser Situation habe ich auch immer etwas Horror. Beim rechts
>Einbiegen auf eine viel befahrene Hauptstrasse schaut man staendig nach
>links, um dann bei einer freien Luecke loszufahren.

>Ich habe mich und auch schon viele andere dabei "erwischt" wie beim
>Losfahren der Blick immer noch nach links gerichtet ist ohne zu Wissen
>was sich vor einem abspielt.

Lenker einschlagen und Spiegel ausrichten, oder das Moped ein wenig in den
Wind stellen, wenn die Spiegel fest montiert sind. Geht natuerlich
nicht in allen Faellen, ersetzt vor allem das Schauen nicht, hilft aber oft,
den Blickschwerpunkt nach vorne zu verlagern.

Dann: Nach zwei, drei Kontollblicken Geschwindigkeit/Beschleunigung
ableiten, und dann einfach _wissen_ wo das Fahrzeug sein muss und ob
die eigene Beschleunigung ausreicht. Beim Herausbeschleunigen nach
_vorne_ schauen und nur durch Stichprobe, am besten im Spiegel,
pruefen, ob das nachfolgende Fahrzeug auch dort ist, wo man es vermutet.
Auf keinen Fall den Blick abseits der Fahrtrichtung fixieren.

Im Prinzip ist das aehnlich wie das rueckwaerts Einparken mit dem
LKW. Du siehst die Luecke nicht, musst aber wissen, wo sie ist.
Und das rechnest du dir aus aus dem Bild, das du dir gemacht hast
und den Tips, die dir die beiden Spiegel geben.

Konnte ich mal. Stell ich mich in letzter Zeit aber wieder recht an.


>Bestell einen Gruss und Gute Genesung.

dito.

   .m.
-- 
muftix@asbach.noris.de
"Ich bin auch Trevours kleines Maedchen!" -- "Nein, nein, nein. Also genau
 genommen bist du seine Frau." -- "Hmm. Und warum muss ich dann immer so
 komische Kleidchen anziehen?"     -- Hillary in "Fresh Prince of Bel Air".