Im Artikel <3353F001.7FE1@psy.uni-muenster.de> schrieb
boelte@psy.uni-muenster.de:
> Wenn
> aber Aussicht auf Erfolg besteht, dann werden die meisten Kosten eh von
> der gegnerischen Partei uebernommen.
Falsch. Die Kosten werden qua Gerichtsbeschluß der gegnerischen Partei
auferlegt, *wenn Du gewinnst*.
Die Rechtsschutzversicherung übernimmt das Risiko, das entsteht, wenn man
ein Gerichtsverfahren *verliert*. Dieser Fall kann eintreten, wenn mann a)
ein Verfahren selbst anstrengt, sprich klagt, oder b) wenn man beklagt
wird.
Zu a) (wenn man klagt):
Rechtsschutzversicherungen prüfen, wie Petra Korczak
in <33563EEF.110D@ntc.nokia.com> richtig
anmerkte, die Aussicht auf Erfolg, bevor sie sich zu einer Kostenübernahme
bereit erklären. Damit soll vermieden werden, daß irgendwelche Querulanten
mit einer verquasten Rechtsauffassung etliche Gerichtsverfahren starten
und damit die Versicherung bzw. die anderen Versicherten belasten. (Nach
dem Motto: ich klag' jetzt einfach mal, zahlt ja eh die Versicherung)
ACHTUNG, wichtig beim Abschluß einer Rechtsschutzversicherung ist: Es gibt
*zwei* gängige Verfahren, wie die "Aussicht auf Erfolg" entschieden wird:
1. Es entscheidet immer die Versicherung, oder
2. es entscheidet der Anwalt Deiner Wahl.
Im ersten Fall mußt Du den Fall komplett Deiner Versicherung schildern;
Dein Ansprechpartner ist die Versicherung. Du kannst zwar eine
Erstberatung bei einem Anwalt in Anspruch nehmen, und diese Erstberatung
wird i.d.R. auch von der Versicherung bezahlt; aber auch wenn Dein Anwalt
zu der Entscheidung kommt, daß Deine Klage Aussicht auf Erfolg hätte, kann
die Versicherung auch anders entscheiden und sagen, daß *ihrer Meinung
nach* die Klage _keine_ Erfolgsaussichten hat und sie das Kostenrisiko
daher nicht übernimmt. Also: verlierst Du, trägst Du die Kosten selber
trotz Versicherung; gewinnst Du, zahlt sowieso die Gegenseite.
Im zweiten Fall läuft das so, daß Du zu einem Anwalt Deiner Wahl gehst und
ihm den Fall schilderst. Kommt Dein Anwalt zu der Ansicht, daß Deine Klage
Aussicht auf Erfolg hat, schickt er eine entsprechende Nachricht an die
Versicherung, die damit automatisch die Kosten übernimmt. In begründeten
Fällen (z.B. "wenn [die Klage] mutwillig erscheint oder in grobem
Mißverhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht"), kann die Versicherung
den Schutz ablehnen. Sie muß das aber (gut) begründen, und in der Regel
ist der Versicherungsschutz vorhanden. Auch hier gilt: Die Versicherung
tritt ein, wenn Du verlierst; wenn Du gewinnst, holt sie sich ihre Kosten
eh von der Gegenseite zurück.
Natürlich ist die zweite Variante kundenfreundlicher, also seltener. :-(
Hier entscheidet das Kleingedruckte! Die meisten Versicherungen behalten
sich eine vorherige Entscheidung über die Erfolgsaussichten vor
(entspricht Fall 1).
Etliche preisgünstige Versicherungen entpuppen sich als unsinnig, wenn
Fall 1 abgeschlossen ist und die Versicherung die Politik betreibt, nur
bei absolut bombensicheren Fällen einzutreten. Variante 2 ist absolut
vorzuziehen, sofern man nicht die Rechtsschutzversicherung als reinen
Schutz gegens Beklagtwerden einsetzt (s.u.).
Hier hilft nur ein kompetenter und *wirklich* unabhängiger
Versicherungsmakler. Kann ich für den Raum Berlin auf Wunsch nennen.
(Nein, ich bin *nicht* mit ihm verwandt oder verschwägert. ;-)
Was die Erstberatung betrifft:
Im Artikel <3353F001.7FE1@psy.uni-muenster.de> schrieb
boelte@psy.uni-muenster.de:
> Die erste Beratung durch einen Rechtsanwalt ist uebrigens kostenlos.
In article <33563EEF.110D@ntc.nokia.com>, Petra Korczak
wrote:
> Ach? Von mir wollten sie für ein BERATUNGSGESPRÄCH Streitwert abhängig Geld
> oder aber manche auch pauschal erstmal DM 450,00 haben. Für 1 Gespräch.
Wenn man zum ersten Mal in einem bestimmten Fall zum Anwalt geht, ist es
wichtig, zu sagen, daß man eine *Erstberatung* möchte. Für eine
Erstberatung gibt es in der BRAGO einen festgelegten Gebührensatz, der
irgendwo bei <=150 DM liegt und unabhängig vom Streitwert ist. Eine solche
Erstberatung dauert max. eine halbe bis eine Stunde.
Hat man ausdrücklich eine Erstberatung verlangt, liegt es am Anwalt, im
Laufe des Gesprächs zu sagen: "Jetzt ist der Rahmen der Erstberatung
erschöpft, alles weitere wird teurer".
Verlangt man eine Erstberatung nicht, kann der Anwalt seine Gebühren am
Streitwert orientieren, und wenn der hoch ist, kann das teuer werden.
Verweigert der Anwalt eine solche Erstberatung, so ist er entweder Scheiße
und man sollte einfach rausgehen, oder er ist Staranwalt und man zahlt
eben dessen Tarif.
(Die BRAGO legt *Mindest*sätze fest, an die sich die allermeisten Anwälte
halten.)
zu b) (=wenn man beklagt wird):
Die Versicherung tritt AFAIK bei *Vergehen* immer ein, bei *Verbrechen* so
gut wie nie.
1. Vergehen sind Straftaten nach StGB, die mit einer Mindeststrafe von 1/2
Jahr Gefängnis geahndet werden.
2. Verbrechen sind Straftaten nach StGB, die mit einer Mindeststrafe von 1
Jahr Gefängnis geahndet werden.
(1. Vergehen sind z.B.: Beleidigung, fahrlässige Körperverletzung (wichtig
bei Unfällen!), Besitz von Betäubungsmitteln in geringer Menge zum
Eigenkonsum.)
(2. Verbrechen sind z.B.: vorsätzliche, schwere Körperverletzung,
Totschlag, Bankraub, Mord, Handel mit Betäubungsmitteln.)
Unter Umständen macht eine Rechtsschutzversicherung, die nur Fall b.1.
abdeckt, Sinn. Szenario:
Du bist mit dem Mopped auf einer Autobahn unterwegs und schneidest einen
Reisebus, dessen Fahrer daraufhin überreagiert, überbremst und den Bus in
den Graben setzt. Im Bus saßen sechzig ältere Tantchen, die leicht
verletzt werden und gegen Dich eine Klage wegen fahrlässiger
Körperverletzung anstrengen. Es ist einigermaßen sicher, daß Du verurteilt
wirst, zumal Du geständig bist; dennoch sitzen 60 Leute als Nebenkläger
samt ihren Anwälten im Gerichtssaal. Die Kosten in der ersten Instanz
betragen locker 100-200 TDM.
Dieses Szenario ist *mäßig* *wahrscheinlich*. (Das meine ich *wörtlich*.)
------
Die Kriterien, ob man eine (beliebige) Versicherung braucht, lauten:
1. Ist es wahrscheinlich, daß der versicherte Fall auch ohne mein
Zutun/Verschulden eintritt?
2. Wenn dieser Fall eintreten sollte, bedeutet er auch eine unmittelbare
Bedrohung meiner Existenz?
Nur wenn beides erfüllt ist, sollte man sich versichern.
Wenn man sich diese Kriterien vor Augen führt, fallen die meisten
Versicherungen heraus.
Reisegepäckversicherungen z.B. decken zwar ein wahrscheinliches Risiko ab
(Kriterium 1 = wahr), aber der Verlust betrifft vielleicht meine
Photokamera, aber nicht meine gesamte Existenz (Kriterium 2 = falsch). Der
Abschluß von Reisegepäckversicherungen ist daher i.d.R. nicht sinnvoll.
Der Eintritt eines unverschuldeten Haftpflichtfalls ist demgegenüber
sowohl gut möglich (1 = wahr), außerdem können horrende Schadenssummen auf
einen zukommen, nur weil man ein Loch in die Wand hämmern wollte (1 und 2
= wahr), die einen ruinieren können. Der Abschluß einer
Haftpflichtversicherung ist daher i.d.R. sinnvoll.
Die Rechtsschutzversicherung liegt IMO irgendwo dazwischen.
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Falls noch Fragen zu dieser Mail bestehen, bitte CC per PM an mich
(bernhard@bbtt.de).
Da ich manchmal ziemlich viel Zeit aufwende, zu posten (dieses Posting
kostete mich ca. 1 1/2 Stunden :-/ ), kann ich leider nicht immer up to
date bleiben. Wenn jemand noch konkrete Fragen hat, werde ich mich aber
bestimmt wieder einblenden - man muß es mir nur nagen!!! :-)
Ride safely
(and always fuck with condoms)
Bernhard
--
PGP fingerprint = D4 21 1F FC ED 67 6C 64 6F 8A 5A 49 E1 11 7D 6E
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It's just a delusion. It's not real.