From: Volker Bartheld, bartheld@afmp04.mppmu.mpg.de
Subject: Ich war's !
Date: Sun, 09 Feb 1997 09:38:13 +0100
Organization: Max Planck Institut fuer Physik

Hallo, motorradfahrende Besatzung !

Falls jemand in den letzten zwei Tagen eine
XR600R ihren bis zur Unkenntlichkeit vermummten
Fahrer durch die Gegend scheuchen gesehen hat,...
Ich war's !

Und das kam so:

Bedingt durch einige kleine Zwischenfaelle (die die
wirklich Harten unter euch nur ein muedes Laecheln
gekostet haben duerften: Diplomarbeit, Baenderriss)
konnte ich meinen festen Vorsatz "Durchfahren !"
zwar meiner Versicherung gegenueber, nicht aber
vor meiner Gesundheit und dem Terminkalender ver-
treten.

Am vergangenen Donnerstag war es dann aber wieder
einmal so weit. Die Sucht nahm ueberhand und -
motiviert durch den herannahenden Abgabetermin -
beschloss ich, unvernuenftig zu reagieren.

Ein Renthal Kettenblatt (Alu, 48 Zaehne), das vor-
dere Ritzel (Renthal, gehaerteter Stahl, 15 Zaehne)
und eine Regina-O-Ring Kette (offen, 120 Glieder)
waren schnell gekauft. Da sich meine Griffgummis wegen
Ueberlaenge schon vor einiger Zeit durch Inkontinenz
bemerkbar machten und der Hinterreifen nur noch fuer
das 'Tirepopping-101' geeignet war (weicheimaessig
eckiggefahren !) ging ich nach dem Prinzip:
"Lieber DM 100,-- fuer Teile als DM 50,-- fuer die
Werkstatt vor" und kaufte noch einen Kettentrenner
(gibt's bei Lou*s, kostet etwa DM 50,-- und hat sich
aeusserst bezahlt gemacht, s. unten), einen
Pirelli MT 21 120/90-18 (DM 120,-- , Nice Price), die
(genau passenden und OEM-maessigen) UFO-Griffgummis.
Ach ja, fast haett' ich's vergessen...: Eine groessere
Vergaserduese gab's dann auch noch, da die XR bei heissem
Motor und ploetzlicher Vollast ab und zu Tuerklingel
spielen wollte.

Die Griffe waren schnell montiert, links etwas Reini-
gungsbenzin in den Gummi gefuellt, geschuettelt, ueber
das Lenkerende gezogen. Rechts musste ich den Gasgriff
ausbauen. So geht die Lippe des Gummis leichter ueber
die umlaufende Rille des Griffs. Nebenbei habe ich auch
gleich den Luftfiltereinsatz gereinigt. In diesem Zu-
sammenhang kann ich die TwinAir-Filtereinsaetze nur emp-
fehlen. Die kriegt man auch mit heissem Spuelmittelwasser
sauber (ggf. von der 'Hausfrau unbemerkt' ein Paar Gummi-
handschuhe entwenden), trocknet sie und traenkt sie wieder
mit dem Originaloel (das wird sehr zaehfluessig und laeuft
nicht immer aus dem Filter raus).

Vergaserduesen wechseln ist bei mir inzwischen eine Sache
von 5 Minuten. Wenn man das passende Werkzeug hat, dann
kommt man an alle Duesen bei eingebautem Vergaser von
unten heran. Fuer die Leerlaufduesen oder zum Wechseln
des Schwimmerventils muss man die untere Haelfte der
Schwimmerkammer abschrauben.

Auch die Reifenaktion verlief leichter als erwartet. Mit
Geduld und Spucke (und 1000 Montiereisen sowie den Tips
von fachkundigen Freunden) liess sich der MT21 in die
Sollposition 'ueberreden'. Etwas Glycerin hat in diesem
Fall noch nie geschadet.

Etwas Muffe hatte ich, wie es an den Kettensatz ging. Das
Renthal Kettenblatt (ich Poser, jaja,...) war kein Problem,
allerdings scheinen die 6 selbstsichernden Muttern, die die
Kettenblattimbusschrauben sichern aus Kaese zu sein. Ohne
Ringschluessel sind die schneller rundgedreht, als man 'Piep'
sagen kann. (Nebenbei: Kein M-Gewinde. Honda-Preis: 3,-- /
Stck. !!) Das vordere Ritzel erwies als etwas schwierigerer
Fall, da die vordere Kettenfuehrung etwas mit der Flex
'nachgearbeitet' werden wollte (Serie bei der XR600 ist ein
14er Ritzel), da die Kette sonst nicht drueber ging. Bei
dieser Gelegenheit inspizierte ich auch den vorderen Ketten-
schleifer (High-$$-Item !), dessen butterweiche Kreuzschlitz-
halteschrauben (die mit Loctite Superbombenfest Schrauben-
sicherungslack getraenkt schienen) V2A Imbusschrauben weichen
mussten. An's Ritzel kamen V2A Sechskantschrauben mit Si-
cherungsscheibe.

Die alte Kette konnte ich mit der Flex 'trennen', zum passen-
den Ablaengen der neuen Kette wollte ich mit mehr Fingerspit-
zengefuehl vorgehen. Ein Vergleich ergab, dass der Unterschied
zwischen dem 14er und dem 15er Ritzel hinsichtlich der Ketten-
laenge nicht in's Gewicht faellt. Es blieb also bei 112 Gliedern.
Zunaechst waren die Koepfe der Bolzen mit der Flex (also doch !
Mit der Feile wird man bloed im Kopf) abzuschleifen und dann mit
dem Kettentrenner durchzudruecken. Einfach ! Die durch etwaige
Hitzeeinwirkung mitgenommenen O-Ringe tauschte ich durch die
dem Clipschloss beigefuegten aus, das Schloss war gleich mon-
tiert und dank Segeringzange und Gripzange konnte ich das Ketten-
glied soweit zusammendruecken, dass die Sicherung (offenes Ende
entgegen der Laufrichtung) nur so drueberflutschte. Das war
also mein erster Kettentausch, der nicht halb so blutig ablief,
wie es in diversen Postings immer beschrieben wurde...

Jetzt also noch kurz die Zuendkerze kontrolliert, die Kette ge-
spannt, am Clip leicht nachgefettet und ... Spannung: Wird
sie anspringen ?? Erstmal Hahn auf, paar mal bei gezogenem
Dekohebel und Vollgas durchgekurbelt, dann Choke auf voll,
Gas zu, oberer Totpunkt: KICK. (nix, nicht mal ein 'Blub'.
Enttaeuschend !) Nochmal. KICK. Laeuft. Ohne Gas. Wirklich
cool. Und das mit ca. 30 ml Motoroel im Brennraum (vom
Ueberwintern (jetzt keine Beschimpfungen, ja !!), wie ich
alsbald bemerkte: Ueber die Nachbarschaft legte sich eine
weisse Qualmwolke, vereinzelt wurden Rolladen heruntergelassen.
Ach ja. Hatte ich da nicht etwas vergessen ?? Den Endrohrein-
satz vielleicht ? Aaaah. Tatsaechlich. So ein Pech...
(Anmerkung: Wir wohnen in einer Spiessersiedlung. Wer glaubt,
auf dem Land geht's tolerant zu, der sollte mal meinen Nach-
barn sehen...) Nachdem mein XR 'ausgeraucht' hatte, eine kleine
Testfahrt. Ohne Helm, ohne Gurt, mit Turnschuhen. Nur mal die
Strasse rauf und runter... Uuuuups. Vereinzelt doch noch
glatt ! Also zurueck, rauf und umgezogen (Vermummung. Ich
laboriere an eine Erkaeltung. Nachts zu lange gearbeitet, die
Garage ungeheizt...).

LOS GEHT'S !

In unweiten Dachau (10 km, 5 min *eg*) konnte man herrlich
Faschingstreibende erschrecken. Da hatten sich sogar welche
als Polizisten verkleidet. Sehr geschmackvoll. Sogar an die
Muetzen und passenden Autos hatten sie gedacht... Hmmmm.
OhSchreck ! Gaaaaaaaaaas !

Fazit: An einem Tag 250 km abgeradelt, zweimal getankt, in
Langwied ein paar Steine anders verteilt und im Sonnenunter-
gang wieder heim. Seufz. Wie konnte ich es nur 24 Jahre ohne
Mopped aushalten ? Jetzt klappt das nicht mal fuer zwei Mo-
nate...

In diesem Sinne,...
lasst's ruhig angehen !

Ciao,
euer Volker