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Uwe Jarczynski, rrr111@rrr.net
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Subject: |
Wie baue ich eine Vesicherung was :Re: Leistungsbeschraenkung
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Date: |
Sat, 04 Jan 1997 15:07:11 GMT
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Organization: |
denied
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Am Fri, 03 Jan 1997 09:35:40 GMT schrieb Olaf Erkens hier :
>rrr111@rrr.net (Uwe Jarczynski) wrote:
>>>>Mach ich, naechstes Jahr :-)
>>
>>>Wir haben nächstes Jahr :-)
>>
>>...und zwar noch ziemlich lange !
>>Lass mir ein paar Tage Zeit, ich hab schliesslich auch einen Kopf, der
>>nach Sylvester erst wieder schrumpfen muss :-)
>Oh Verzeihung - Argument zieht - Schrumpfpause gewährt :-)
Also gut, hier ist es :
Wie baue ich eine Versichererung und warum ist die so teuer ?
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Ich habe vor dem eigentlichen Beispiel einer Kalkulation fuer die
Haftpflichtversicherung erstmal versucht, einige Grundbegriffe all-
gemein verstaendlich zu erklaeren. Ich bin nicht sicher, ob mir das
gelungen ist :-) Ein paar kleinere Faktoren bei der Kalkulation hab
ich einfach weggelassen, weil sie auf den Endbetrag fast keine Aus-
wirkungen mehr haben. Alle Zahlen, die mit Kosten, Provisionen usw.
zusammenhaengen sind frei erfunden, aber ziemlich realistisch.
Lediglich der Schadenbedarf (s.u.) ist echt.
0. Jahreseinheit (JE)
Um Risiken trotz unterschiedlicher Versicherungsdauer in einem Jahr
vergleichbar zu machen, wird die Versicherungsdauer auf eine Norm-
einheit umgerechnet, die Jahreseinheit. Eine Jahreseinheit (=JE=360
Tage) wird dabei einem Risiko (z.B. einem Motorrad) zugeordnet, das
fuer die Dauer eines vollen Jahres versichert war. Fahrzeuge, die
nicht ein ganzes Jahr versichert waren, erhalten anteilige JE. So sind
z.B. 2 Motorraeder, die jeweils 6 Monate in einem Jahr angemeldet
waren, 1 JE.
1. Schadenbedarf (SB)
Die Basisgroesse fuer die Kalkulation. Jede Jahreseinheit (s.o.)
verursacht durchschnittlich genau diesen Schaden pro Jahr. Der Wert
ist natuerlich kein reiner Messwert, sondern mit statistischen Ver-
fahren berarbeitet, um z.B. bei kleinen statistischen Einheiten
Zufalls-
schwankungen zu beseitigen. So kann zum Beispiel aus dem reinen Mess-
wert von 268 DM (alle Motorraeder in Deutschland von 59 bis 72 kW im
Jahr 1995) fuer die Kalkulation ein Wert von 254 DM werden. Der
Schadenbedarf ist also eine Groesse, in der sowohl die durchschnitt-
liche Schadenhoehe (8622 DM) also auch die Schadenhaeufigkeit (0,031
Unfaelle pro Jahreseinheit) beruecksichtigt ist. (Quelle : Gesamt-
statistik der Kraftfahrtversicherung 1995, Verband der Schadenver-
sicherer, Hamburg)
2. Zuschlag fuer zukuenfige Schadenentwicklung
Der Schadenbedarf (SB) fuer jede statistische Zelle ist aus Daten aus
der Vergangenheit ermittelt worden, typischerweise sind diese mindes-
tens 1 Jahr alt. Da die Kalkulation aber fuer einen Zeitraum in der
Zukunft korrekt sein soll, muss die weitere Entwicklung des SB prog-
nostiziert und mit einem Faktor an die Zukunft angepasst werden.
Einen wesentlichen Einfluss auf diesen Faktor hat z.B. die erwartete
Inflation, aber auch der erwartete Verlauf des Unfallgeschehens. Fuer
das Beispiel hab ich mal trotz Inflation einen insgesamt leicht posi-
tiven Verlauf angenommen und hier einen Wert von -1% angesetzt.
3. Feste Kosten
Die Kosten, die fuer die Verwaltung des Vertrages beim Versicherer
entstehen (von der Hardware zur Speicherung der Daten ueber die
Programmierung, Druck von Versicherungscheinen, Porto, mein Gehalt bis
zu den Leuten, die man am Telefon hat, alles halt). Die Kosten sind
normalerweise von der Hoehe des Beitrags unabhaengig und werden als
DM-Betrag angesetzt. Fuer das Beispiel muessen pro Jahr und Vertrag
fuer den ganzen Kram also 40 DM reichen. Hier geht es nur um die
Kosten der Vertragsbearbeitung, die Kosten der Schadenbearbeitung
(z.B. die Gehaelter der Rechtanwaelte, Gutachter, Schadenbearbeiter
beim Versicherer) sind bereits im Schadenbedarf enthalten.
4. Bewegliche Kosten
Im Wesentlichen 2 Punkte : die Provisionen fuer den Vermittler und die
Ratenzuschlaege fuer Leute, die nicht jaehrlich zahlen . Beide Posten
sind von der Hoehe des Beitrags abhaengig und daher als %-Wert ange-
setzt. Ich geh hier mal von 5 % Provisionen aus, der Vermittler er-
haelt also fuer den Abschluss des Vertrages ca. 15 DM. Die Zuschlaege
fuer die 1/2 oder 1/4-jaehrlichen Zahler sind fuer den Versicherer
Einnahmen und gehen deshalb hier als negativer Wert ein. Im Beispiel
zahlen die Kunden durchschnittlich 2 % Zuschlag.
5. Gewinn
Jetzt kommt ein Thema, bei dem die meisten Versicherer nur noch muede
abwinken. Bis vor ein paar Jahren waren vom Bundesaufsichtsamt noch
maximal 3 % geduldet, seit der Liberalisierung der Gesetzgebung und
dem dadurch verschaerften Wettbewerb liegt die Obergrenze eher bei 1%.
6. SFR-Index
Bei Versicherungen ist es nicht anders als beim Baecker um die Ecke,
wenn man einer Reihe von Kunden Rabatte geben will, muss man das
vorher bei Preiskalkulation beruecksichtigen, sonst macht man Miese.
Die Versicherer wissen sehr genau, wieviel Schadenfreiheitrabatt die
Motorradfahrer so haben, in 1995 zahlten die Maschinen zwischen 59 und
72 kW zum Beispiel einen durchschnittlichen Beitrag von nur rund 60 %.
Um das aufzufangen, brauchen wir noch einen SFR-Index 1,667 (100/60),
mit dem multipliziert wird.
7. Versicherungssteuer
Der Tribut an Theo W. betraegt zur Zeit 15 %, kein weiterer Kommentar
notwendig.
Wenn wir jetzt also fit genug sind um eine eigene Versicherung
aufzumachen, gehts ans Rechnen. Wir bauen uns einen Versicherungs-
beitrag fuer die Klasse bis 98 PS. Man nehme :
1. Schadenbedarf : 254,0 DM
2. Zuschlag Schadenentwicklung ( - 1%) 251,5 DM
3. feste Kosten ( 40 DM) 291,5 DM
4. bewegliche Kosten
Provisonen ( 5%) 306,1 DM
Ratenzuschlaege ( -2%) 297,3 DM
5. Gewinn ( 1%) 300,3 DM
6. SFR-Index (*1,667) 505,6 DM
7. Versicherungssteuer ( 15%) 581,4 DM
Mit 581,4 DM liegen wir dann allerdings bei den eher teuren
Versicherern, vielleicht sollten wir unsere Philosophie bezueglich
Gewinnerwartung und Provisionen fuer unsere Versicherungsvertreter
doch noch mal gruendlich ueberdenken .-)
Uwe