From: Dominic Tanner, tanner@rummelplatz.uni-mannheim.de
Subject: Re: Definition "heizen"
Date: Tue, 17 Sep 1996 19:05:35 GMT
Organization: THE FORCES OF EVIL !

dirk@news.drb.insel.de (Dirk Straka) wrote:

>Hi Dominic Tanner and all the rest of de.rec.motorrad!

>Concerning "Definition "heizen"", you wrote (quoting me):

>[...]
>> >Dass aber das persoenliche Geschwindigkeitsniveau eines anderen
>> >Fahrers auch in dieser Konstellation (zwei "erfahrerne" Fahrer) ein
>> >voellig anderes sein kann (sprich: der andere Fahrer in der Lage ist,
>> >die selbe Kurve mit 120 und dennoch sicherer zu fahren), das wird da
>> >dann vollkommen ignoriert.
>>
>> Klar. Nur kann man in den Alpen halt kaum je sehen was da noch so
>> rumsteht hinter der Kurve. Und je schneller man faehrt desto weniger
>> Zeit hat man fuer eine Ausweichreaktion, und wenn man irgendwo was
>> wirklich breites steht ist es halt dann zu Ende.

>Anscheinend hab' ich noch nicht gut genug erklaert, was ich eigentlich
>meine.  Ich versuch's nochmal:  Also, es ist (im Rahmen der physikali-
>schen Moeglichkeiten) voellig egal, mit welchem absoluten Tempo jemand
>um eine Ecke faehrt.  _Sein_ Risiko veraendert sich mit unterschiedli-
>cher Geschwindigkeit, das ist unzweifelhaft.  Wobei es zwei Grenzen fuer
>zu hohes Risiko gibt:  Eine untere (zu langsam fahren, Unterforderung)
>und eine obere (zu schnell, Ueberforderung).  Aber wo diese Grenzen
>liegen, dass ist von Fahrer zu Fahrer voellig verschieden.  Und daher
>ist der Vergleich von Fahrer zu Fahrer, der staendig angefuehrt wird,
>und insbesondere eine undiffernzierte Aussage ueber ein *absolutes* zu
>hoehes Tempo fuer eine Situation einfach nicht zulaessig weil falsch.
>Denn da, wo es fuer Dich (oder mich) zu Ende waere, ist es das fuer wen
>anders u. U. noch lange nicht.

Ich finde die Grenzen der fuer mich verantwortbaren Geschwindigkeit
auf einem engen Alpenpass haben wenig mit meinem Koennen zu tun. Ich
bin ja inzwischen auch kein totaler Anfaenger mehr, aber ich werde in
den Alpen immer wieder von Kurven ueberrascht die nicht so verlaufen
wie es zuerst aussieht, von ploetzlich ins miese wechselnden
Strassenbelaegen und von unerwarteten Hindernissen auf der Strasse.
(Steine, Autos, Lkws, Fussgaenger etc.) 
Fuer mich hat die Geschwindigkeit die ich da fahre nix mit
Ueberforderung zu tun sondern mit viel Sicherheitsreserve.

Und auch wenn du tatsaechlich viel besser faehrst als ich, was wohl
offensichtlich ist, mit 50 km/h mehr hast du in dem Fall den
Vierfachen Bremsweg, na gut, du und dein Motorrad moegen besser
bremsen : Den Dreifachen. Wehe wenn man keine Luecke da ist durch die
man durchkommt. 

Ich sage nicht dass du nicht so schnell fahren sollst. Aber ich sage
dass du ein erhebliches Risiko eingehst bei solchen Geschwindigkeiten,
ganz egal wie gut du faehrst. Ich sehe die Gefahr dabei nicht darin
dass du abfliegst weil du zu schnell in die Kurve faehrst sondern
einfach in der Unbestreitbaren Tatsache dass du VIEL weniger Zeit zum
reagieren hast wenn man was unvorhergesehenes ist und dass dir, wenn
die Strasse blockiert ist, der Bremsweg sehr knapp werden kann.
Und da habe ich echt Schiss vor, vor die Wahl mit 100 in eine Felswand
zu knallen, mit 100 in einen Bus zu knallen oder mit 100 auf die 40 m
Tiefer liegende Serpentine zu knallen moechte ich nicht gestellt
werden.

Was mich an deinen Ausfuehrungen einfach stoert ist die Tatsache dass
du der Meinung zu schein seinst mit Fahrkoennen alleine alles meistern
zu koennen. 

>BTW:  Wir sind auch auf engen Paessen Postbussen begegnet.  Einem direkt
>in der Kurve.  Passiert ist nix.  Nichtmal knapp war's.  Warum wohl?

Weil dem Bus gerade kein Auto entgegen kam das sich mit 30 cm Abstand
links und rechts und 10 km/h durch die Luecke gezwaengt hat. Solange
1,5 m Platz in der Naehe der Ideallinie ist gehts, das weiss ich auch.

>> Da kannst du 1000 mal so gut fahren wie ich, wenn ich auf Sicht fahre
>> und du faehrst wesentlich schneller hast du entweder einen Roentgen-
>> blick oder gehst ein erheblich hoeheres Risiko ein. 

>Das stimmt so nicht unbedingt, weil die Hoehe des Tempos nur dann in je-
>dem Falle zu einem anderen Risikofaktor fuehrt, wenn die Betrachtung der
>beiden Tempi bzgl. ein und desselben Fahrers erfolgt.  Sobald man Fahrer
>A mit Tempo Va und Fahrer B mit Tempo Vb vergleichen will, muss man die
>Fahrer und deren Faehigkeiten mit einbeziehen.  Und so kann sich erge-
>ben, dass fuer ein und dieselbe Situation mit dem selben Risiko bei Va
>80 und bei Vb 140 km/h 'rauskommt.  Hoehere Geschwindigkeit, aber der
>selbe Risikofaktor.  Oder glaubst Du ernsthaft, dass z. B. Daehne mit
>einer 8er Rundenzeit unsicherer ueber den Ring faehrt als Du mit einer
>10er?  :-)

Das was du da schreibst ist meiner Meinung nach Bloedsinn,
beziehungsweise gilt wenn ueberhaupt dann nur auf Abgesperrter
Rennstrecke. Da kommts naemlcih nur auf dich an. Klar spielt das
Fahrkoennen eine gewisse Rolle, wenn einer naemlich so schnell faehrt
dass er die Kontrolle ueber sein Motorrad nicht mehr vollstaendig hat
geht er ein kaum noch zu ueberbietendes Risiko ein.
Bei den Situationen die sich auf einer normalen Strasse ergeben
koennen vermindert hervorragendes Fahrkoennen das Risiko vielleicht
etwas, aber im Endeffekt ist das marginal. Denn auch du kannst keine
Vollbremsung in Schraeglage durchfuehren oder beliebig kurze Bremswege
hinzaubern oder deinen Kurvenradius beliebig verengen wenns sein muss.

>> Und als ich mit der Heizergruppe gefahren bin war mit die Geschwindig-
>> keit deutlich zu hoch. Ich haette zwar auch nciht mithalten koennen
>> wenn ich gewollt haette, aber ich glaube nciht dass ich noch einen Tag
>> mit euch gefahren waere wenn ich es gekonnt haette.
>> Vor allem die Tatsache dass ich die Strecken nicht gekannt habe hat
>> mich tierisch gestoert. Einfach dem ersten hinterherbraten weil der
>> schon mal hier war, und mit ihm sterben wenn er sich irgendwo falsch
>> erinnert ? Das ist nicht mein Ding. 

>Erinnert ist gut.  So gut, dass man die Strecken aus dem Gedaechtnis
>haette fahren koennen, kannte die da keiner.  Und, ganz abgesehen davon,
>oeffentliche Strecken am absoluten Limit weil aus dem Gedaechtnis zu
>fahren ist eh' ein unkalkulierbares Risiko.  Weil sie sich taeglich,
>nein, minuetlich veraendern und kein Streckenposten warnt ...  also
>braucht man die noetige Sicherheitsreserve.  Und wenn die eigene obere
>Grenze schon zu nahe ist, die Reserven also zu klein werden, dann darf
>man das eben nicht fahren.

>Aber abgesehen davon hast Du da eine Einstellung formuliert, die ich an-
>derswo eben bitter vermisst habe:  Du schriebst die Geschwindigkeit sei
>DIR zu hoch gewesen.  Das ist ganz was anderes als "die Geschwindigkeit
>IST zu hoch" - denn so ist erstere Aussage valide.  Und von daher hast
>Du, zwar auf nicht ganz korrekter Ausgangsbasis, aber dennoch die rich-
>tige Entscheidung getroffen.  Denn Geschwindigkeiten, die MIR zu hoch
>sind, wuerde ICH auch nicht fahren.  Aber ich wuerde eben niemandem sa-
>gen:  "Wenn DU Geschwindigkeiten faehrst, die MIR zu hoch sind, dann
>bist DU ein Idiot" - oder lebensmuede oder sonstwas.  Denn der einzige
>Idiot waere ich, wenn ICH Geschwindigkeiten fahren wuerde, die MIR zu
>hoch sind.

Nein, aber ich kann trotzdem - natuerlich nur aus meiner Sicht - eine
Einschaetzung ueber das Risiko eines anderen treffen. Und von wegen
"Geschwindigkeit ist zu hoch" :

Definitiv war eure Geschwindigkeit nicht zu hoch. Denn ihr lebt alle
noch. Meine Geschwindigkeit war nur genau dann zu hoch wenn ich
abfliege oder irgendwo reindonnere.
Der einzige Schoenheitsfehler dabei ist, dass der Umkehrschluss : Wenn
ich ueberlebt habe bin ich kein (hohes) Risiko eingegangen nicht gilt.

Und meiner Meinung nach seit ihr (die Heizergruppe) ein hohes Risiko
eingegangen von der Kombination eurer hohen Geschwindigkeit und einer
moeglichen Verkettung von ungluecklichen und nicht beeinflussbaren
Umstaenden vor eine fahrerisch unloesbare Aufgabe gestellt zu werden.

>> >Und das ganze hat gar nichts mit Gesetzen oder deren Ueberschreitung
>> >zu tun.  Ich suche mir halt einfach meine Geschwindigkeit.  Die Ge-
>> >schwindigkeit, die ich meine, unter Beruecksichtung meiner ganz per-
>> >soenlichen Randbedingungen verantworten zu koennen.  Unabhaengig da-
>> >von, ob sie nun ueber oder unter dem gesetzlichen Limit ist.
>> Ja, aber zu behaupten dass sei "sicher" ist gewagt. Sicher bist du in
>> einem Atomschutzbunker ;-)

>Ich weiss nicht, was das soll.  Du duerftest wissen, was ich meine.
>Oder?

Ich hoffe dieses Posting verdeutlicht was ich meine.

>[...]
>> Ich habe leider die Anlaesse fuer diese Zwistigkeiten nicht miterlebt,
>> aber deine Art damit umzugehen erstaunt mich doch etwas. wie du schon
>> erwaehnt hast : Nur weil du etwas als "sicher" empfindest muss es auf
>> andere (vor allem schwaechere) Fahrer noch lange nicht so wirken.

>Richtig.  Und dann gilt auch der Umkehrschluss:  Und nur weil es auf an-
>dere riskant wirkt, muss es das noch lange nicht sein.  Oder?  Und genau
>das sage ich die ganze Zeit ...  wir sind uns also einig?  :-)  Denn was
>_mich_ eigentlich erstaunt und auch aergert ist, mit welcher Ignoranz
>manche Leute genau das nicht erkennen und akzeptieren sondern ihre eige-
>nen Ansichten und Massstaebe (und Grenzen) als Absolutum hinstellen und
>alles andere als unmoeglich verurteilen.

Wir sind uns absolut nicht einig.
Denn wenn du einen schwachen Fahrer durch ein Ueberholmanoever zu Tode
erschrickst dann schickst du ihn mit viel Pech direkt ins Krankenhaus.
Und wenn dieser Fahrer ein RRR-Kollege ist ist das der Gipfel der
Asozialitaet. Und wenn das andauernd vorkommt FEHLT MIR JEDIGLICHES
VERSTAENDNIS DAFUER !

Als wenn es nicht moeglich waere mal kurz das Gas zu zu machen um die
Nerven von ein paar Leuten die man gut kennt zu schonen. Wenn ich
manche Leute im Odenwald ueberhole erschrecken die sich vermutlich
auch zu Tode, und manchmal ist mir auch nicht wohl dabei, aber nur
deswegen schleiche ich halt nicht rum. Aber wenn ich von einer dieser
Personen zur Rede gestellt werde versuche ich nicht mein Verhalten zu
verharmlosen, sondern sage was es ist : Gefaehrlich. Unsozial.

Und wenn ich dabei mal meine eigenen Freunde gefaehrde mache ich am
naechsten Tag die Auegn auf und noetigenfalls das Gas zu. Und warte
halt mal bis nach der Kurve mit dem Ueberholen. Weil Death before
Dishonour fuer mich wenn ueberhaupt meinen eigenen Tod beinhaltet, und
nicht den anderer.

Das Verhalten der Heizergruppe waere IMHO nicht schlimm gewesen wenn
es einmal vorgekommen waere, aber spaetestens nachdem ihr wusstet dass
die anderen nicht gerne Motorraeder so nah neben sich haben dass sie
das kleingedruckte auf dem Bermfluessigekeitbehaelter lesen koennen
sollte man das naechste mal soviel Abstand halten dass die anderen
sich nciht gefaehrdet fuehlen, denn wer sich gefaehrdet fuehlt wird
unsicher und dadurch auch gefaehrdet.

Sich ueber diese IMHO elementaren Regeln des Motorradfahrens andauernd
hinwegzusetzen, vor allen wenn es um Leute geht die man kennt ist
schon sehr seltsam, aber dann die Leute noch als "Verleumder" und
aehnliches zu titulieren und mit einer geradezu unbeschreiblichen
Arroganz zu entscheiden was andere Leute fuer einen Sicherheitsabstand
brauchen bzw. deine Vorstellungen von einem sicheren Ueberholmanoever
auf alle anderen zu projizieren, das ist krass.

Wenn ich mich da an deine Schlauen Sprueche zur Ruecksichtnahme beim
Gruppenfahren und aehnliches zurueckerinnere, ja also da leidet deine
Glaubwuerdigkeit ganz erheblich.

Ich hoffe diesmal wars deutlich genug.

Dominic