From: Matthias Flatt, matthias.flatt@studbox.uni-stuttgart.de
Subject: Re: Windeinfluss auf das Fahren
Date: Fri, 09 Aug 1996 10:09:58 GMT
Organization: Comp.Center (RUS), U of Stuttgart, FRG

winkler@ifwsn4.ifw.uni-hannover.de (Max Winkler) wrote:

> >> Ich hoffe, Deine "physikalischen Kenntnisse" sind besser als Deine Rechtschreibung. :-)
> >Also, deine physikalischen Kenntnisse werde ich mal nicht benoten, und
> >die Orthografie auch nicht.
> Tu Dir keinen Zwang an. 
Aber gerne: 
Physik 5-, da immerhin einige physikalische Fachtermini wahllos
plaziert werden. 

> (Wer uebrigens nett gewesen, wenn Du die beiden Zeilen
> darueber mitgequotet haettest, um den Zusammenhang zu verdeutlichen. Aber geschicktes
> Nicht-Quoten ist leider ein beliebtes Stilmittel im Usenet. Man sollte dann aber wenigstens
> durch [...] anzeigen, wo geschnippelt wurde!)
Vielen Dank fuer die Nachhilfe. 
War ja auch eine Frechheit von mir, die beiden Beweismitt...aeeh
Zeilen, in denen ganze zwei n fehlen, einfach zu unterschlagen.

Wer den Oberlehrer wg. Rechtschreibung und dann auch noch wg.
haarstraeubenden physikalischen Kenntnissen (wiederholt) raushaengen
laesst, muss damit rechnen, von einem Oberoberlehrer eins auf die
Muetze zu bekommen.

> >> Zurueck zum Mopped. Die Kreiselkraefte bewirken, dasz das Mopped 
> >> a) aufrecht faehrt
> >> b) geradeaus faehrt .
Peinlich, peinlich. Ich hatte dir die Gelegenheit gegeben, dies beim
Reply zu loeschen. Jetzt steht der Schwachfug immer noch da.

> Genau. Wie kommt es denn sonst, dasz ein Mopped erst ab ca. 40km/h
> stabil laeuft? 
??
Wie, man kann mit einem Motorrad nicht langsamer als 40 fahren?
Also, bei mir geht das. In Tempo-30-Zonen muss es sogar gehen.

> Beispiel: die beruehmten Turnuebungen auf dem Mopped
> beim ADAC Sicherheitstraining. Man sollte es tunlichst unterlassen sie
> bei niedrigeren Geschwindigkeiten auszufuehren. (siehe auch naechsten
> Kommentar)
Ich kann auf den Fussrasten stehend auch langsamer als 40 fahren,
wenns sein muss sogar mit 5 km/h oder so. Wird nach unten durch
Kupplungsschleifen begrenzt. 

> >Was ein Zweirad fahrbar macht, ist die Lenkgeometrie, die richtige
> >Abstimmung von Lenkkopfwinkel und Nachlauf. Stimmt die Kombination
> >nicht richtig, hat das Zweirad miese Fahreigenschaften. Ist die
> >Lenkgeometrie total daneben, kann nix und niemand damit fahren. Da
> >helfen die tollsten Kreiselkraefte nix.

> Um warum faellt es dann trotz guter Lenkgeometrie im Stand um???
Fein, dann sind wir jetzt entgueltig auf Stammtischniveau. 

Uebrigens bemueht sich ein Zweirad auch im Stand selbsttaetig darum,
nicht umzufallen.

Das glaubst du jetzt natuerlich nicht, was?

Ein Fahrrad kann man im Stand schraeghalten, z.B. nach rechts geneigt,
und dann wird man feststellen, dass sich der Lenker von alleine nach
rechts einschlaegt. Und das nicht weger ominoeser Kreiselkraefte,
sondern wegen der Lenkgeometrie. Da die Lenkachse nicht senkrecht ist,
sondern deren gedachte Verlaengerung vor dem Radaufstandspunkt auf den
Erdboden trifft, bzw. das Rad um den Nachlauf hinter der Lenkachse
herlaeuft, dreht sich das Rad bei Schraeglage in die Kurve hinein.

P.S: Jemand hat mal festgestellt, dass die mehrfachen Verwendung von !
oder ? ein "sure sign of insanity" sei. 
Q. e. d.:
> Warum ist es weniger stabil bei niedrigen Geschwindigkeiten???
Sobald oben bzw. unten beschriebener Regelungsprozess stattfinden
kann, wozu das Bike natuerlich eine ausreichende Strecke rollen muss,
faehrt ein Bike stabil.

Merke: 
stabil <> traeg wg. Drehimpuls ("Drallvektor"?) proportional \omega

> Das erklaer mir doch mal!
Also, pass mal auf: 
Ein Mopped fahre aufrecht geradeaus. Der Fahrer bzw. ein Stoerimpuls
dreht nun den Lenker kurz ein bisschen nach links. Dies bewirkt
erstmal, dass das Vorderad auch ein Stueckchen nach links faehrt,
wobei das Bike selber aufgrund der Massentraegheit geradeaus
weiterschiesst, d.h. das Vorderad faehrt quasi unter dem Bike nach
links weg, und das Bike befindet sich somit in einer leichten
Schraeglage nach rechts.
Jetz kommst, siehe oben: Das Vorderrad schwenkt auch nach rechts.

Jetzt gibt es zwei Moeglichkeiten:
Wenn der Fahrer nun tatsaechlich eine Rechtskurve fahren will, braucht
er nur das Gegenlenken des Vorderrades zu hemmen, so dass er noch mehr
Schraeglage bekommt, bis er eine stabile Kurve faehrt.
Unternimmt der Fahrer weiters nichts, richtet sich das Bike durch das
zu weit nach rechts eingeschlagene Rad wieder auf, und faehrt
geradeaus weiter.

Dass der Fahrer beim Einleiten einer Rechtskurve den Lenker leicht
nach links druecken muss, sollte sich inzwischen ja rumgesprochen
haben. Auch wenns manche nicht glauben wollen.
Aber selbst kleine Kinder lernen das beim Fahrradfahren, sofern sie
nicht mit dem "Kopf" lenken wollen.

Steiler Lenkopf und kleiner Nachlauf bewirken ein kurvenwilliges,
handliches Motorrad mit labilen Geradeauslauf, eine ausgepraegte
Lenkgeometrie wie bei Choppern einen stabilen Geradeauslauf und
Kurvenunwilligkeit bzw. "kippeln", wenn die Fuhre tatsaechlich mal in
Schraeglage ist.

> Bin gespannt auf Deine Antwort.
Lies neben meiner Antwort auf noch andere ordentliche Fachliteratur
zum Thema Kreisel und/oder Motorrad.
Zu letzterem gibt es AFAIK ein Buch mit dem Titel "Warum man nicht
runterfaellt".
 
> >> Mit Kraftaufwand ist es natuerlich moeglich, die drehenden Massen aus ihrer
> >> bevorzugten Lage zu bringen. 
> >Was ist denn eigentlich diese bevorzugte Lage?

> Haupttraegheitsachse 
Argh!.
Dass das mit der Haupttraegheitsachse Techno-Babbel ist, haben wir ja
weiter oben beim Stichwort "Radachse" geklaert.

> und Geradeauslauf. 
Ach? Wieso das? Woher weiss ein Rad, wohin es geradeaus geht?
Was du meinst, ist die momentane Lage, die ein Kreisel gerne
beibehalten wuerde. Und das kann auch eine Kurvenfahrt sein, dann will
der Kreisel naemlich nicht wieder so gerne geradeausfahren.

Im uebrigen hat ein Kreisel die verwirrende Eigenschaft, einem
angreifenden Drehmoment *senkrecht* dazu auszuweichen, sofern das
moeglich ist -> der Brummkreisel praezediert, anstatt einfach
umzufallen.
Aber das hat mit Motorraedern herzlich wenig zu tun.

> Jedes Kurvenfahren ist naemlich
> eine Beschleunigung (Querbeschleunigung).
Soso. Welch grundlegende Erkenntnis.

> >Bekannter Effekt.
> Fein, dann erklaer doch 'mal den 'bekannten Effekt' .
Der Drehimpuls ist proportional zu Betrag der Winkelgeschwindigkeit.
(Die Darstellung in LaTeX-Notation sei dem Leser als Uebungsaufgabe
ueberlassen). 
Ein angreifendes Drehmoment ruft deshalb eine, bezogen auf den
Drehimpuls selber, geringere relative Drehimpulsaenderung hervor, d.h
eine geringere Lenkbewegung. Oder andesrum: Wenn man das Rad bei
doppelter Geschwindigkeit um den gleichen Winkel einschlagen will,
muss man das doppelte Drehmoment aufbringen. Oder doppelt so lange
dranrumzerren.

> Wenn Du Dir die Muehe machst, den Thread von weiter vorn zu
> folgen: es geht nur um die Boe.
Den Thread  habe ich erst ab deinem Posting mitbekommen, aber dieses
richtig interpretiert:
> >Gefaehrlich wird es jedoch, wenn z.B durch Ueberholen eines LKWs der
> >Seitenwind ploetzlich weg ist bzw. ploetzlich wieder auftritt.

> >Preisfrage: 
> >Kann sich ein schnell fahrendes, traegeres Bike den ploetzlich anderen
> >Umstaenden schneller anpassen und schneller ein neues stabiles
> >Kraeftegleichgewicht finden als ein langsamer fahrenderes und damit
> >agileres, bei dem der von dir beschriebene Effekt nicht so ausgepraegt
> >ist? 

> Ja, da es aufgrund der groeszeren eigenen Stabilitaet weniger empfindlich
> ist, d.h. weniger stark auf den Stoereinflusz reagiert.
Haehae, das ist ein klasssischer Kurzschluss.

Du meinst also weiterhin, dass ein traeges System eine Stoerung quasi
besser ignorieren kann als ein reaktionsschnelles System diese
ausgleichen koennte? 

Nun, eine Windbboe bringt ein schnelles Bike aufgrund der groesseren
Drehimpulse beider Raeder tatsaechlich nicht in eine so starke
Schraeglage wie ein langsameres.

Aber was heisst "schnell" bzw. "stark"?

Nun, ich habe mir spasseshalber mal ausgerechnet, wie gross der
Drehimpuls der Raeder (m=10kg, r=25cm bzw. d=20") eines 30m/s=108km/h
schnellen Bikes ist: L=J*\omega=2*m*r*r*v/r=150 kg*m*m/s

Im Vergleich dazu die Kraft, mit der eine ebenfalls 108km/h schnelle
Windboe auf ein 2m langes, 1m hohes Bike mit Seiten-cw-Wert von 1 bei
einer Luftdichte von 1.3kg/m³ ausuebt: F=1/2*cw*\rho*A*v*v=1170 N, das
entspricht einer Gewichtskraft von ueber 100kg!

Diese Kraft bewirkt ein seitliches Drehmoment von M=1/2*1m*1170N=585Nm
auf das Bike, so dass der stabilisierende Raeder-Drehimpuls L=M*t in
t=(150kgmm/s)/(585Nm)= 1/4 s , also in einer Viertelsekunde quasi
verbraucht wird. Genau genommen wird die Richtung des Drehimpulses
vektoriell so gedreht, dass der Differenzvektor so gross wie der
Drehimpuls selber ist, also ein gleichseitiges Dreieck mit 60 Grad
Winkeln bildet.

Mit anderen Worten:
Die Windboe hat dein ach so stabiles Kreiselgeschoss (die Masse des
Bikes ohne Raeder sei hierbei mit Null angenommen, da dessen Traegheit
nicht zur Debatte steht) innerhalb von einer Viertelsekunde um 60 Grad
auf die Seite gelegt.
Ein doppelt so schnelles Bike haette der Boe immerhin eine halbe
Sekunde "stand"gehalten, bis es flachgelegen haette.

Also, selbst Bikes mit mehr als 200 Sachen koennen einer Windboe von
unter 100km/h nicht aufgrund von Kreiselkraeften standhalten.
Auch nicht, wenn man an den von mir angenommen Werten rumdiskutiert.


Herr Winkler, Sie haben die Pruefung nicht bestanden.

Sie koennen die Pruefung im naechsten Semester wiederholen, aber nicht
vorher. Und besser bei einem anderen Pruefer.

> So, und welchen Preis bekomme ich jetzt?
Den Trostpreis:
Du darfst kostenlos in der Hannoveraner Unibibliothek schmoekern,
unter anderm in der Physikabteilung zum Thema Drehimpulserhaltung,
Brummkreisel, Praezession, Nutation, Eulersche Kreiselgleichungen usw.

Sowie bei den Ingenieuren in Sachen KFZ-Technik unter dem Stichwort
"Fahrstabilitaet des Zweirades".




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I  XT /~~~~            1977' Yamaha XT.Rex 500 Enduro
I  500\_____           ER#3   squid percentage: 19.58
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