Yohoo!
Anbei mal ein kleiner Text, den ich heute gelesen habe, vielleicht findet ihr
den genauso spassig wie ich. Aus: Die Zeit Nr. 29 vom 12. Juli 1996, Seite 59.
Unter Helmen
Burkhard Straámanns Motorradkunde - Folge 1
Polofahrer gráen sich nie. Omegafahrer gráen sich nie. Doch fahren zwei
Alfa-Romeo-Fahrer aneinander vorbei, heben sie auffallen l„ssig einen Finger
der linken Hand. Wer eine ¯Ente® f„hrt, grát andere Entenfahrer, indem er
aufgeregt mit der Frischluftklappe wackelt. Selbst Lkw-Fahrer kleben sich
manchmal eine rote Plastikhand an die Windschutzscheibe. Wer sich im
Autoverkehr als exquisite Mehrheit empfindet, grát die Angeh”rigen seiner
exquisiten Minderheit. Die h”chstentwickelte Gruákultur aber findet man unter
Motorradfahrern.
Die Ursprnge des Motorradgruáes reichen bis in die Steinzeit zurck.
Motorradfahrer waren damals auáerordentlich selten. Es gab kaum befestigte
Straáen, und die R„der waren noch aus Stein. Nur ganz harte Kerle vertrugen die
Strapazen des Motorradfahrens. Begegneten sich zwei dieser Kerle, hielten sie
an, stiegen ab und zeigten einander die ge”ffneten H„nde, um zu demonstrieren,
daá sich kein Faustkeil darin verbarg. So wurde der Motorradgruá erfunden.
Unter „hnlich harten Bedingungen sind heute nur noch die Winterfahrer
unterwegs. Motorradfahrer sind entweder Winterfahrer oder Weicheier. Weicheier
trifft man im April im Straáenverkehrsamt an, wo sie ihre stillgelegten
Maschinen wieder anmelden. Winterfahrer dagegen fahren durch. Ihre Zahl ist
klein. Treffen sich zwei Winterfahrer, ist die Freude groá. Sie heben dann so
freudig und ausgiebig die H„nde, daá sie vom Motorrad zu strzen drohen. Von
April an gráen Winterfahrer nicht mehr. Winterfahrer gráen keine Weicheier.
Das Motorradgráen ist stark reglementiert und wird von Anf„ngern zu Recht als
sehr kompliziert angesehen. Es ist umlagert von allerlei Ge- und Verboten. Das
bekannteste Verbot lautet: Gráe nie, nie!, ein Einspurfahrzeug, das weniger
als hundert Kubikzentimeter Hubraum hat. So etwas ist kein Motorrad!
Wer fahrl„ssig Motorroller, Mofas, Mokicks, Kleinkraftr„der oder
Leichtkraftr„der grát, verliert sein Gesicht und insbesondere jegliche
Selbstachtung. Da dem Anf„nger alles, was zwei R„der und einen Motor hat, von
vorn betrachtet, „hnlich vorkommt, bereitet ihm dieses Verbot die gr”áten
Schwierigkeiten. Ein Spezialfall: Oldtimer. Oldtimer werden grunds„tzlich
freudig und bewundernd gegrát, unabh„ngig vom Hubraum. Oldtimer werden meist
von technisch versierten „lteren Fahrern gefahren, sogenannten ¯alten
Schraubern®. Solchen wird Respekt gezollt.
Trifft man alte Schrauber, wartet man, ob sie gráen. Von Frhling bis Herbst
gráen viele nicht, weil sie Winterfahrer sind. Weil das korrekte Gráen so
schwer ist, sollten Anf„nger nie voreilig von sich aus gráen.
Ungeregelt und darum praktisch nicht existent ist die Motorradgruákultur auf
der autobahn. Nicht einmal erfahrene Motorradfahrer k”nnen sagen, ob man
entgegenkommende Motorr„der ber sechs Fahrspuren und einen Grnstreifen hinweg
gráen muá. Fahrtechnisch problematisch wird das Gráen beim šberholen. Die
klassische Gruáhand, die Linke, wird vom šberholten nicht gesehen. Grát man
mit der Rechten und nimmt dazu die Hand vom Gasgriff, bremst die Maschine ab-
fatal beim šberholen.
Absurde Verrenkungen sind auf unseren Autobahnen zu beobachten, wenn
Motorradfahrer versuchen, mit der Linken vorn am K”rper vorbei nach rechts zu
gráen. Uneingeweihte autofahrer tippen auf Heuschreckenschw„rme oder
Unterarmkrampf. Der Autobahngruá ist eben gerade mal so jung wie die Autobahn
und kennt kaum Traditionslinien.
Zu Konflikten kommt es auch, wenn man den deutschen Groákulturraum verl„át. So
sind deutsche Motorradfahrer in Italien verwirrt und erbost, weil dort partout
niemand gegrát wird. Nicht einmal ein alter Schrauber. Die Erkl„rung: Der
¯italienische Gruá® besteht in einem fr unser Auge nicht wahrnehmbaren Zucken
des linken kleinen Fingers. Solche Miáverst„ndnisse fhren zu dem Vorurteil,
italienische Motorradfahrer seien unfreundlich und arrogant. Ein Desiderat der
Gruákulturforschung!
In Deutschland gilt das minimalistische ¯italienische Gráen® als verp”nt. Man
verachtet das furchtsame Festhalten am Lenker. Diese Haltung ist nicht
unproblematisch. Wenn man beim Auto die Hand vom Lenkrad nimmt, f„hrt es
geradeaus weiter. L„át der Motorradfahrer den Lenker los, f„llt die Maschine
ber kurz oder lang um. Besonders in Kurven. Ganz besonders beim sogenannten
¯Heizen®, dem enorm schnellen Fahren. Der ¯Heizergruá® in extremer Schr„glage
(ein Knie berhrt den Asphalt) gilt als sehr riskant. Er wird allgemein als
Nachweis hoher Fahrkunst angesehen. Wer diese Kunst nicht beherrscht und
dennoch ausbt, riskiert seinen letzten, den sogenannten ¯goldenen Gruá®.
Aus: Die Zeit Nr. 29 vom 12. Juli 1996, Seite 59
Die naechsten Folgen kommen woechtenlich raus. Wenn Interesse besteht, poste
ich die dann auch noch- aber nur wenn Interesse besteht (mailen!).
Unn wech...
Christian
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