From: |
Claus Possberg, possi@saurus.in-passau.de
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Subject: |
Possi's Expedition in die libysche Sahara 1996
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Date: |
Thu, 06 Jun 1996 20:24:38 +0200
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Organization: |
CC University of Hohenheim (not responsible for contents)
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Hi,
hier der versprochenene Bericht. Web-Surfer finden das ganze bebildert
auf meinen Webseiten.
http://www.in-passau.de/~possi/
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Possi's Expedition in die libysche Sahara 1996
Die Liberte, unsere Faehre aus Marseille, spuckt uns nach ruhiger Fahrt
mal wieder auf dem afrikanischen Kontinent aus, wo uns die eifrigen
Zoellner schon erwarten. Die Abfertigung und Durchsuchung der Touristen,
an denen das Land Tunesien soviel Geld verdient, laeuft nicht gerade
nach EG-Standard ab, nach weiteren 5 Stunden Hin- und Her-Gerenne
zwischen verschiedenen Schaltern, die versteckt an verschiedenen Stellen
der riesigen Zollhallen angebracht sind, haben wir es endlich geschafft,
der Papierkrieg ist vorerst erledigt. Die erste Nacht wird stilecht in
einem guten Hotel verbracht, trotzdem revoltiert sofort mein
Magen-Darm-Trakt, kein gutes Omen fuer die lange Strassenetappe bis zum
einzigen fuer Touristen offenen Grenzuebergang zwischen Tunesien und
Libyen, die ich nur mit Muehe (und etlichen Pausen) schaffe. An der (zum
Glueck doppelt vorhandenen) Navigationselektronik stellen sich sogleich
die ersten kleineren Schaeden ein, Blinker, Rueck- und Bremslicht meiner
Maschine verabschieden sich, bei einer meiner beiden Kameras ist der
Verschluss unrettbar verklemmt und die Visiermechanik von meinem
nagelneuen BMW Systemhelm 3 ist ebenfalls bereits kaputt. An der
libyschen Grenze, die wir nach eineinhalb Tagen erreichen, wedeln die
Geldwechsler schon mit Buendeln Libyscher Dinare, sie geben einenen
Tauschkurs, der zehn mal besser ist, als der offizielle der Bankschalter
an der Grenze. Die Tunesier decken sich hier mit Schwarzgeld ein um
billig in Libyen einzukaufen. Wir kaufen auch Geld, das wir sorgfaeltig
verstecken, um nicht ueble Probleme einzufangen. Ich werde es nicht
verbrauchen, weil Superbenzin in Libyen z.B. nur sechs Pfennige
(Schwarztausch umgerechnet) kostet, und auch sonstige Beduerftnisse sehr
billig befriedigt werden. Wir, das ist ein Kreis von einigen
Extremfahrern, die auf einem riesigen geliehenen Autoanhaenger die
Maschinen nach Marseille gebracht haben, um dann unter Zuhilfenahme
lokaler Reiseagentouren abgelegene Wuestenlangstrecken (die teilweise
offiziell Fuehrerpflicht unterliegen) unter die Raeder zu nehmen. Unser
eigentliches Ziel und Motivation fuer die ganze komplexe Unternehmung
war die Erstbefahrung des Tibesti-Gebirge im Tchad mit Motorraedern in
der modernen Zeit (und nach dem dem Krieg zwischen Libyen und Tchad),
aber dazu spaeter mehr. Die erste Uebernachtung auf dem Weg durch
Nord-Libyen, alles noch auf Teerstrasse, gestaltet sich schon leicht
chaotisch, da Hotels Mangelware sind und wir nur eine Jugendherberge
finden, deren Schlafsaal mit den "hochelastischen" Betten von uns in
Beschlag genommen wird. Man haette ihn auch Schnarch-Saal nennen
koennen! Ghadames ist noch eine Tagesetappe weiter auf Teer; wir
engagieren Medi und seinen Fahrer sowie einen Tuareg-Fuehrer fuer unsere
erste harte Gelaende-Etappe nach Ghat.
Die erste versorgungslose Etappe betraegt rund 900 km, davon etwa die
Haelfte reine Duenen. Die libyschen Jungs haben einen "Steyer Puch
Pinzgauer", eigentlich ein oesterreichisches Militaerfahrzeug, aber auch
wuestentauglich, da fuer extremes trialmaessiges Gebirgs-Klettern
gebaut. Der Wagen ist allerdings schon angeschlagen, und reichlich
vollgeladen mit diversen Vorraeten. Fuenf Tage ist unsere Planung fuer
diese Etappe, die wir aber nicht einhalten. Nach etwa 200 km relativ
freien Gelaendes wird es interessanter, herrliche Landschaft mit
skurrilen Tuffkegeln vor den Duenen des Erg Bouaret, den ich auf der
algerischen Seite schon vor vielen Jahren mit meiner Frau als Sozia
passiert hatte, und der besonders wegen seiner orangeroten Faerbung
gefaellt. Der Sand ist weich, die BMW und AT-Treiber muessen gehoerig
arbeiten. Dank unseres Fuehrers, der Pflicht ist wegen des nahen
Grenzverlaufs, finden wir sogar versteckte Wasserloecher mit Palmen
drumrum. Abends ist Duenensurfen fuer die fuenf wilden
Einzylinderfahrer angesagt, meine zehn Jahre alte TT600 gegen nagelneue
Huskys und KTMs, eine Mordsgaudi, die Kisten ueber die
neunzig-Grad-Kanten steiler Duenenkaemme zu zirkeln. Die Duenen sind so
steil, daB geschmissene Geraete von selbst auf der Seite liegend wieder
zu Tal rutschen, zumindest in der Naehe des Grats, wo die Steigung ueber
45 Winkelgrad betraegt! Da ist man schon froh, sich immer auf einige
helfende Haende verlassen zu koennen. Das Zelt aufzubauen haben wir
schon in der zweiten Wuestennacht keine Lust mehr, es schlaeft sich
genausogut unter freiem Himmel, wenn da nicht der Wind (mit dem Sand)
waere! Tagsueber fahren wir zunehmend ernsthafter, das sind
Geschwindigkeiten, die die Motorleistung der Einzylinder teils schon
ausreizen. Manchmal kommt richtiges Rallyfeeling auf, und ich
beschliesse, den Stachel nicht zu weit aufzureissen, als mich Gerd mit
seiner KTM LC4 von hinten mit mindestens dreifacher Geschwindigkeit
umschiesst. Gottseidank gehts glimpflich aus. Meine ansonsten eher
ruhige Art schlaegt schlagartig in Wut um, aber mit der Zeit versoehnen
wir uns wieder. Man weiB ja selbst nie, ob man nicht den naechsten
Fehler macht, der vielleicht sogar groeBere Folgen nach sich zieht - die
Wueste verzeiht bekanntlich keine Fehler. Die Navigation durch das
ausgedehnte Duenengebiet des Idhan Awbari ist nicht einfach, weil die
Strecke nicht parallel der Duenenlaufrichtung folgt, sondern an der
richtigen Stelle immer die Kaemme ueberquert werden muessen. Im Radio
erfahren wir vom Ausbruch regierungsfeindlicher Gefangener aus Haft, die
sich in der Wueste versteckt halten sollen. Daher beschlagnahmt die
Militaerregierung einfach alle Gelaendewagen in Libyen, um zu vermeiden,
daB sie den Haeftlingen in die Haende fallen. Mit solchen MaBnahmen ist
man nicht gerade pingelig, und das setzt unsere einheimische
Pinzgauer-Truppe in hoechste Unruhe. Man muB sich klar sein, daB man
sich nicht in einem Rechsstaat befindet, Willkuer ist an der
Tagesordnung. Wie sagt unser Begleiter so schoen: Sie koennen hier alle
Geschaefte machen, aber "die Gruppe" (das ist die inoffizielle
Bezeichnung fuer den Regierungsclan um den Oberst Gadhafi) ist politisch
tabu, keine Widerrede, sonst verschwindet man ziemlich schnell und
niemand weiB, wohin. Aus diesem Grunde aendern wir unseren Kurs und
steuern statt Ghat den kleinen Ort Al Uwaynat an, wo es keine
Polizeistation gibt, unsere Vorraete sind verbraucht. Der Pinzgauer wird
ueber Nacht in einer Palmenpflanzung versteckt und bleibt unentdeckt.
Von hier starten wir mit einem neuen Tuaregfuehrer in das geniale
Akakus-Gebirge, unbeschreibliche Landschaften von Felstuermen, Toren,
Kegeln, halb zugeschuettet von Duenen. Tiefsandige Wadis machen erneut
das Fahren stellenweise schwer, die leichten Einzylinder sind wieder im
Vorteil. Wir finden einige der beruehmten praehistorischen Malereien und
Felsgravuren, die sich stets an markanten Felsformationen an
Ueberhaengen finden, die ganze Gegend scheint voll davon zu sein.
Unglaublich, Bueffel, Giraffen, Krokodile, StrauBen, die
Steppenlandschaft vor zehntausend Jahren muB sehr wildreich gewesen
sein. Immer wieder klettere ich auf Felskegel, lasse den Blick in die
famose Landschaft gleiten und stelle mir saftige Steppenlandschaften mit
Tierherden vor. So muB das seinerzeit ausgesehen haben. Ganz beruehmt
ist das benachtbarte Wadi Mathendous/Wadi Aberho, das auch unter
internationalem Schutz (Unesco) steht, ein ganzer Park von hunderten von
Felsen und Hoehlen mit fantastischen praehistorischen Gravuren und
Malereien. An einem Felstor entdecke ich einen neuwertigen, aber auf die
Seite gekippten Pajero, pilotiert von Regina, die in der libyschen
Botschaft in Tipolis arbeitet, und die die fantastische Gegend nach
Jahren Arbeit in Libyen auch mal selber erleben wollte. Ein kleiner
Fehler beim Zurueckrollen von einer Duene, die mit zuwenig Schwung
angefahren wurde und der Wagen kippt genau vor dem malerischen Felstor
um. Nun steht sie da, und ihr libyscher Begleiter laeuft, ohne
Ausruestung und ohne Wasser (ganz schoen bloede!) verzweifelt durch die
Wuestenlandschaft um Hilfe zu holen. Nach einer halben Stunde und
einigen kraeftigen Maennergriffen steht das Auto wieder, und unsere
mechanisch begabten Enduristen kriegen nach einigen Geburtswehen auch
den Turbodiesel wieder zum Laufen. Ich fahre den FuBspuren von Reginas
Guide nach, die sich aber alsbald im Geroell verlieren. Nach etwa 12 km
Querfeldein-Suchen finde ich ihn, hysterisch mit den Armen rudernd, auf
einer Ebene, bereits ziemlich fertig. Ich setze ihn auf meine
Werkzeugtasche am Heck meiner TT und wir queren einige Geroellpassagen
und Duenenkaemme, wo er mir vor Angst die Taille quetscht, und liefere
ihn wieder bei seiner Chefin ab.
Wir kehren zurueck nach Uwaynat und erreichen einige hundert Kilometer
oestlich Germa, wo wir in der Jugenherberge uebernachten. Unweit ist der
Einstieg zu den Mandara-Seen, deren groeBten (Gabronsee) wir, inzwischen
wieder geuebt im Sandfahren, in knapp zwei Stunden erreichen. Hier
treffen wir einige ratlose Motorradfahrer, die sich uebernommen haben,
zuviel Gepaeck, ungeeigente Maschine, falsche Fahrtechnik. Auf jeder
Afrikareise das gleiche Bild (die benutzten Maschinen sind jetzt
moderner, die Fehler bleiben die alten). Zum Glueck ist die Zivilisation
nur 40 km entfernt! Der kleine Ort Gabron liegt mitten in einem schwer
zugaenglichen Duenengebiet unmittelbar an dem gleichnamigen, grossen
See. Hier hat sich angeblich nach der Machtergreifung "der Gruppe"
Widerstand gehalten, daher wurden die Bewohner Ende der siebziger Jahren
zwangsausgesiedelt. Die Lage ist immer noch traumhaft, und wenigstens
die Moschee wird weiter gepflegt. Wegen der vielen Muecken muss man
etwas abseits des See schlafen, aber zum Baden tagsueber ist er
wunderbar. Hier wird erneut mit den Motorraedern ausgiebig auf den
Duenen gesurft, wir ueberqueren sogar die Duenengebirge ins Nachbartal
um dort weitere der Mandara-Seen zu finden, die aber fast alle
ausgetrocknet sind. Auf dem Rueckweg muB ich meine TT auf einem
Duenenkamm zuruecklassen, weil der Vergaser immer wieder in
Vollgasstellung klemmt, und es wird rasch dunkel. Die Position ist im
GPS gespeichert, sonst ist ein Wiederfinden ein Gluecksspiel. Tags
darauf wird der Vergaser auf der fast 200 Meter hohen Duene zerlegt und
gangbar gemacht, und ich kann die Maschine abbergen.
Ueber Murzuq gehts nach Timsah, von hier ueber ein Sandfeld auf die
Piste nach Waw el Kebir, wo vom Militaer kostenlos(!) Benzin
ausgeschenkt wird. Die Piste fuehrt schnell weiter zum Waw en Namus, den
ich aber nicht aus eigener Kraft erreiche, weil sich 30 km vorher meine
TT mit Kolbenfresser verabschiedet. Wir haben bereits vor Timsah eine
uralten Mercedes-LKW mit grosser Ladeflaeche und Zwillingsreifen
gemietet, der unsere Vorraete, Reifen, Teile, Wasser usw. fuer diese
ueber 1000 km lange offroad-Etappe aufnimmt. Nun gesellt sich meine TT
dazu, was mich ganz schoen frustriert. Nun gut, ohne unsere einheimische
Begleitung waere die Strecke nicht so risikoarm machbar und ausserdem
haette ich mein Motorrad stehen lassen koennen. Der Waw en Namus ist ein
mehrere Kilometer durchmessender Krater in einer schwarzen
Asche-Mondlandschaft mit einem roten Zentralkegel, umgeben von
halbmondfoermigen Seen, die teils roetlich, gelblich oder blaeulich in
der Sonne glitzern. Umgeben von Palmen und Myriaden von Muecken. Hier
uebernachten wir und erleben den fantastischen Sonnenaufgang am
Kraterrand.
Der weitere Weg geht zur kleinen Oase Tazurbo mit Hilfe von
Satellitennavigation querfeldein ueber schnell befahrbare, platte
Reg-Ebenen mehrere hundert Kilometer durch ulta-arides Gebiet, absolut
vegetationsfrei. Boris bekommt ein leider tagelang anhaltendes Fieber,
wird auf den LKW verladen, ich uebernehme seine Husky. Zum Glueck ist es
keine Malaria, wobei die Oasen am Suedrand der Sahara nicht ganz
unbedenklich sind. Die Husky 610TE ist ein ziemlich radikales Geraet,
sehr unbequem auf Langstecke, hohe Spitzenleistung und gutes, leichtes
Fahrwerk, aber auch reichlich reperaturintensiv. Abends wird oft an den
kaputten Huskys geschraubt, waerend die Japaner nur einfache
Servicemassnahmen erfordern, das gilt auch fuer die KTM 620LC4, die mir
sehr gefaellt. Wir erreichen schlieBlich die Zivilisation wieder in der
groBe Oase Al Kofra, ganz im Osten an der Grenze zu Aegypten und Sudan.
Angesichts meiner kaputten Maschine ueberlege ich, mich von hier nach
Hause alleine durchzuschlagen, verwerfe aber den Gedanken, als ich
ueberschlaegig auf eine Reisedauer von ueber einer Woche komme. Es sind
von hier um die zweitausend anstrengende Kilometer nach Tripolis per
Anhalter oder Bus, und von dort gibt es ja wegen des Embargos auch keine
Flugverbindungen ins westliche Ausland. Ausserdem habe ich mein Motorrad
im PaB eingetragen, was massive Ausreiseschwierigkeiten erwarten laesst.
Also weiter Richtung Sueden, nach muehsamen, langen Verhandlungen mit
den Behoerden haben wir eine Genehmigung durch das militaerische
Sperrgebiet suedlich Kofra nach Ouinanga Kebir im Tchad zu fahren. Von
den sechs Wochen ist nicht mehr so viel uebrig, so daB eine ausgiebige
Befahrung des Tibesti eh nicht mehr moeglich sein wird. Wir engagieren
einen alten Tuareg, der frueher fuers Militaer gearbeitet hat und uns
heil durch die Minenfelder an der Grenze zum Tchad fuehren soll.
Fruehmorgens geht es, mit Vorraeten bis zum Anschlag auf unserem LKW,
auf den einsamen Weg. Die Strecke wird nur gelegentlich von ueberladenen
LKWs aus Schwarzafrika befahren, auf denen oben noch bis zu 40 Menschen
mit ihren Tieren sitzen. Am zweiten Tag faellt mir schon immer die
merkwuerdige Route im GPS-Display auf, die unserer Fuehrer einschlaegt.
Nachdem ein Kreis zu dreiviertel vollendet ist, hagelt es Proteste und
es kommt zu einer hitzigen Diskussion mit unserem Fuehrer. Er sagt, das
sehe jetzt alles anders aus als vor 16 Jahren, wo er das letzte mal da
war, das ganze Tal sei jetzt von Duenen verschuettet. Offensichtlich
will er uns im Kreis fuehren, schliesslich erreichen wir den
Uebernachtungspunkt vom Vortag. Das Tibesti ist nun aus Zeitmangel
entgueltig gestorben, selbst die noch avisierte Variante nach Ouri/Tchad
verwerfen wir. Medi erzaehlt uns, als Sechzehnjaehriger war er im Krieg
gegen den Tchad zum Minenlegen eingesetzt worden, er kenne die Dinger
und habe keine Angst. Das aber glaube ich nun nicht. Millionen von Minen
liegen noch rum und sind zum Teil auch in Wadis umhergeschwemmt worden,
was ihr Auffinden teils fast unmoeglich macht. Daran besteht offenbar
auch gar kein Interesse. Wir kehren um, die gewonnene Zeit nuetzen wir
zur Befahrung des Erg Rabianah, der eine ganz eigenartige
Gelaendeformation aufweist, ganz weisser Sand mit etwa einem Kilometer
breiten, ebenen Gassis und saegezahnartigen Duenenkaemmen, die wir immer
wieder queren muessen, dazwischen. Eine reine Sat-Nav-Etappe, Sandfahren
macht Spass auf der Husky, wenn nur die Sitzbank besser waere! Wir
erreichen Rabianah und Besimah, eine wunderschoene verlassene Oase mit
Palmengaerten an einem See vor einem schwarzen Bergkegel. Querfeldein
fahren wir jetzt nach Nordwest etwa achthundert Kilometer nach Zilla,
einem italienischem Fort und ganz netten Oase. Noch sechshundert
Kilometer Teerstrasse sind es bis zum Mittelmeer, weiter entlang der
Kueste nach Westen, Durchquerung von Tripolis, Stranduebernachtung mit
Wellenrauschen schliesslich noch ein Tag Zeitverlust fuer die
Grenzkontrolle. Kurz danach verabschiede ich von meinen Freunden, die
auf dem Landweg nach Europa weiterreisen und setze ich mich in
Djerba/Suedtunesien ins Flugzeug nach Muenchen. Drei Wochen spaeter
trift meine Yamaha, die mir auf meinen frueheren Reisen immer so treu
war, auf dem Transporter des ADAC bei mir in Passau ein.
Dokumentation Libyen
Allgemeines:
Libyen ist mit seiner Flaeche gut fuenfmal so groB wie Deutschland, und
hat nur 4,9 Mio Einwohner, die sich fast ausschlieBlich auf den
schmalen, etwa 2000 km langen Kuestenstreifen zum Mittelmeer
konzentrieren. Rund 90% des Landes sind Wueste, groBe Teile davon sogar
hyperaride Gebiete, die jahrzehntelang keinen Regen sehen und voellig
bewuchsfrei sind. Dies gilt insbesondere fuer den Sueden und Suedosten.
Die Haupstadt ist Tripolis, eine Metropole mit gut einer Million
Einwohnern, groBteils modern gestaltet, wenngleich auch noch etwas
Altstadt erhalten ist. Verglichen mit GroBstaedten benachtbarter Laender
aber eher charakterlos, es fehlt jegliches internationales Flair, sicher
auch verursacht durch den See- und Flughafen-Boykott, so daB jegliche
Einreise fuer Auslaender nur auf dem muehsamen und zeitaufwendigem
Landweg moeglich ist. Libyen hat eine Militaerregierung, die ihre
Interessen wohl ziemlich ruecksichtslos durchsetzt. Man befindet sich
definitiv nicht in einem Rechtsstaat, darueber muB man sich klar sein.
Touristen sind selten, so daB ihnen i.d.R. aeusserst gastfreundlich
begegnet wird. Das aggressive Geschnorre und Betteln, das in den
Nachbarlaendern so nervt, gibt es hier nicht. Das mag allerdings auch
daran liegen, daB das Bruttosozialprodukt ungleich hoeher liegt (mehr
als zehnmal so hoch), da das Land reich an hochwertigem Erdoel ist.
Allerdings sind die Petrodollars ungleich verteilt, was immer wieder
auch daran zu erkennen ist, daB zwar zahlreiche, hervorragende,
vierspurige, tag-und-nacht-beleuchtete SchnellstraBen durch abgelegene
Oasen fuehren, diese selbst aber nur aus Huetten, Autowracks und
gleichmaeBig verstreuten, Unmengen an Muell bestehen. Das urspruenglich
im ganzen Sahararaum verbreitete Normadentum ist in Libyen voellig
ausgerottet worden, wie ueberhaupt praktisch nichts traditionelles,
bodenstaendiges mehr zu finden ist. Was bleibt, neben den netten
Menschen, ist eine grandiose Wuestenlandschaft, die alleine die Reise
dorthin rechtfertigt, zumal hier der Fremde sich noch sicher fuehlen
kann.
Klima und Reisezeit:
Unmittelbar an der Kueste herrscht mediterranes Klima aehnlich
Sueditalien, aber wenig suedlich davon wird es rasch trockener mit
entsprechen spaerlicherem Bewuchs. Eine Wassescheide wie das
Atlasgebirge in Algerien und Marokko gibt es nicht. Etwa 200-300 km
suedlich der Kueste geht die Landschaft in Vollwueste ueber. Fuer die
ganze Zentralsahara gelten die gleichen Reisezeiten, Oktober bis April,
wobei die klarsten und angenemsten Monate meist November und Dezember
sind, Januar und Februar sind kalt, so daB man abends eine Daunenjacke
braucht. Dagegen hatten wir im April mittags bereits vereinzelt brutale
Hitzetage mit 50 Grad in der Sonne (und mehr) zu ertragen. Wenigstens
kuehlte es nachts noch auf 15-20 Grad ab. Die Sommermonate sind fuer
Saharatouren ungeeignet. Fuer den Transit durch Tunesien und die
Kuestengegend muB man mit gelegentlichem, u.U. heftigen Regen rechnen,
das Wetter gleicht hier Suedeuropa.
Route:
Es gibt viele gute TeerstraBen, die fast alle Orte anbinden. Daher
geraten viele frueher befahrenen Pisten in Vergessenheit. Aus
verschiedenen Gruenden werden fuer etliche Pisten Fuehrer zwingend
vorgeschrieben, so z.B. auf der Strecke Ghadames-Ghat, im Akakus-Gebirge
oder im Wadi Mathendous. Die von uns ebenfalls befahrene Strecke
suedlich Kofra ist Sperrgebiet und normalerweise nicht befahrbar.
Dagegen sind die Mandara-Seen oder der Waw en Namus auch frei
erreichbar, was mit den heute zur Verfuegung stehenden Beschreibungen
und GPS-Koordinaten auch erfahrenen und geuebten Wuestenpiloten ohne
Ortskenntnissen moeglich sein sollte. Doch Vorsicht: ein paar
Endurofahrkenntnisse alleine duerften moeglicherweise nicht ausreichen,
die zu ueberwindenden Entfernungen ohne Versorgung sind sehr groB!
Fuehrer findet man ueber Reiseagentouren, die an den Schluesselorten
(Ghadames, Ghat, Uwaynat, Timsah, Kofra) an aufaelligen Schildern leicht
zu erkennen sind. Die Fuehrer mit 4-WD-Fahrzeug sind nicht billig, man
muB taeglich mehrere hundert Mark rechnen, natuerlich kann man dann fuer
mehrere Tage auch groeBere Rabatte aushandeln. Daher ist es guenstig,
wenn sich diese Kosten auf mehrere Leute aufteilen. Damit ist auch das
Benzintransportproblem loesbar, wenngleich trotzdem ein groBer Tank zu
empfehlen ist. Die Beschilderung ist ausnahmelos rein arabisch. Man kann
sich mit Entfernungsangeben und einer arabisch beschrifteten Landkarte
helfen. Reise-Hoehepunkte sind der Erg Bouaret, das Akakus-Gebirge, der
Gabronsee, der Waw en Namus sowie die Landschaft um Rabianah und Besimah
suedlich und oestlich Kofra. Achtung: einige Pisten in Suedlibyen sind
vermint, Lebensgefahr!
Dokumente und Geld:
Noetig ist ein ausreichend lange gueltiger ReisepaB mit dem Visum und
beglaubigter arabischer Uebersetzung. Dazu Fahrzeugpapiere, nationaler
(und sicherheitshalber internationaler) Fuehrerschein sowie eine an der
Grenze abzuschliessende Versicherung, was zusammen etwa die Haelfte der
unregelmaeBig erhobenen 500 US$ Zwangsumtausch aufbraucht. Dann erhaelt
man ein riesiges gruenes arabisches Kennzeichen, fuer das sich im Land
aber niemand mehr interessiert (ich habe es abgeschraubt um es nicht zu
verlieren). Da Schecks, Kreditkarten und andere moderne Errungenschaften
ungebraeuchlich sind, behilft man sich mit Bargeld, das in Suedtunesien
billigst frei verkauft wird. Die Einfuhr und Ausfuhr ist aber illegal.
Fuehrer wollen i.d.R. mit Devisen bezahlt werden. In Begleitung eines
Einheimischen gehen die zahlreichen StraBenkontrollen durch Militaer und
Polizei relativ reibungslos. Beschleunigen kann man den Vorgang noch,
wenn jeder reichlich Kopieen der arabischen PaB-Uebersetzung
bereithaelt.
Anreise:
Auf dem Landweg faehrt man in 1-2 Tagen nach Genua oder Marseille, von
hier in einer Tagesreise mit der Faehre nach Tunis. Von Tunis zum
einzigen Grenzuebergang Ras Ajdir einschlieBlich der zeitraubenden
Grenzformalitaeten sind es zwei Tagesetappen. Bis zum Einstieg in die
ersten interessanten Wuestenetappen faehrt man nochmals etwa 1-2 Tage
TeerstraBe. Das bedeutet (wenn alles optimal laeuft) mindestens 10 Tage
anstrengende, wenig attraktive An- und Abreise-Etappen. Eine Flug- oder
Faehrverbindung nach Tripolis oder Bengasi aus Europa besteht wegen des
internationalen Embargos leider nicht.
Essen und Uebernachtung:
Nur in den groeBeren Oasen gibt es Restaurants unterschiedlicher
Qualitaet, die man natuerlich besucht, um die sehr begrenzten eigenen
Vorraete zu schonen. Auf lokalen Maerkten kann man sich wieder
eindecken, das Angebot ist fuer Saharaverhaeltnisse gut. Hotels sind
selbst an der Kueste Mangelware, gelegentlich findet man
Jugendherbergen. In der Wueste wird natuerlich campiert, ein Zelt ist
normalerweise nicht noetig, ausser man will sich ein wenig gegen
potentielle Sandstuerme, Kaelte oder Regenunwetter absichern. Nur im
Winter sind wirklich warme Schlafsaecke noetig. Auf Wunsch wird man von
den Fuehrern versorgt, oder man kocht selbst.
Gesundheit:
Schutzkleidung ist der wichtigste Schutz der Gesundheit, s.u.. Dazu ein
erweitertes Erste-Hilfe-Set, Immodium oder Lopedium gegen Durchfall,
Aspirin, Betaisadonnasalbe, Micropur zur Wasserdesinfektion sowie evtl.
persoenlich erforderliche Medikamente. Es gibt es eine brauchbare,
kostenlose medizinische Grundversorgung und ordentlich sortierte
Apotheken. Eine Malaria-Prophylaxe wird derzeit auch fuer Suedlibyen
nicht empfohlen. Tetanus-Schutz ueberpruefen, die letzte Auffrischung
sollte nicht laenger als 5 Jahre zurueckliegen.
Motorrad und Ausruestung:
Der Reiz einer Saharareise lieg naturgemaeB nicht im gepflegtem
AsphaltstraBennetz Libyens, sondern in den landschaftlich grandiosen
Offroad-Etappen. Das erfordert eine zuverlaessige, moeglichst leichte
und wegen der zahlreichen Sandstrecken auch drehmomentstarke Enduro. Am
leichtesten tut man sich mit Sportenduros, die aber auch unbequem auf
Lang-Etappen oder StraBe sind. Wirklich geuebte Piloten mit richtiger
Fahrtechnik haben auch auf BMWs oder Afrikatwins Chancen. Beladung mit
Gepaeck reduziert diese deutlich, zumindest eine Beschraenkung auf das
Notwendigste in Ultralightausfuehrung tut Not. Als Reifen nimmt man
einen Rally-Typ, z.B. den bewaehrten (aber 1995/96 monatelang nicht
lieferbaren) Michelin Desert oder den Pirelli Rallycross, die im Sand
mit knapp 1 bar Luftdruck gefahren werden. Alle VerschleiBteile muessen
bei Start neu sein, die Stachelreifen werden erst vor der ersten
Gelaendeetappe montiert. Von besonderen MaBnahmen wie speziellen,
halbprofessionellen Umbauten oder Motortuning wuerde ich eher abraten.
Unverzichtbar ist eine komplette Endurobekleidung einschlieBlich
Crosspanzer und harten Gelaendesportstiefel, weil dadurch praktisch alle
Verletzungen bei den haeufigen Bagatellstuerzen vermieden werden.
Navigation und Kartenmaterial:
Die angemieteten Tuareg-Fuehrer nahmen uns viele Navigationsprobleme von
vorneherein ab, wir sind aber auch etliche Stecken (Duenengebiete und
Reg-Ebenen) nach reiner Satellitennavigation gefahren, wenn sich die
Fuehrer nicht mehr auskannten oder wir keine Fuehrer zur Verfuegung
hatten. Mit Kompass, Karte und GPS sollte man umgehen koennen, dazu muB
man ein Auge fuer das Gelaende entwickeln, denn Navigation ist eine
praktische Disziplin. Technische Navigationshilfen koennen ausfallen.
Fuer die libysche Sahara gibt es leider nicht so schoenes
Karten-Material wie fuer Algerien, als Uebersicht dient natuerlich die
Karte Michelin 953, dazu die Geo Projekts Karte Libyen (die
Propaganda-Grenzverlaeufe der Militaerregierung zeigt, die nicht der
Praxis entsprechen). Daneben gibt es noch russische Militaerkarten (mit
kyrillischer Beschriftung) mit gutem Masstab sowie die bekannten
amerikanischen Fliegerkarten, die aber kaum Pisten zeigen. Nicht mehr
aufzutreiben sind hochmaBstaebige italienische Karten aus den vierziger
Jahren, von denen ich nur einige Fotos kenne, die einzigen Karten, wo
einige der Mandara-Seen verzeichnet sind.
Literatur und Sonstiges:
Es gibt leider nicht viel. Wirklich zu empfehlen und relativ aktuell ist
nur: "Libyen", Goettler, Reise Knowhow, 1995, DM 39.80. Diesen Fuehrer
sollte man vor der Reise lesen, da steht auch eine Menge
Hintergrundinformation drin. Dann gibt es noch "Libyen", Steinecke,
Stein-Verlag, 1991, DM 22.00.
(c)1996 C. Possberg
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Besuch mal meine Bike-Web-Seiten:
http://www.in-passau.de/~possi/
Gruss
Possi