From: |
k.diem, k.diem@jinxed.dinoco.de
|
Subject: |
R1100GS ohne Alternative?
|
Date: |
23 Dec 1995 01:00:00 +0100
|
Organization: |
JINXED Telecom (+49 2234 956199 login: gast pw: gast)
|
#REPLY 4b1k2t$6qm@marvin.isdn.cs.tu-berlin.de
Hallo Ihr Rennfahrer,
häufig ist hier in der Runde die Rede von der Anziehungskraft, die von den
relativ neuen BMW R 1100 R/GS Modellen auf die potentiellen Fahrer ausgeht.
Zur Daempfung des weitverbreiteten Optimismus habe ich nach etwa 35.000km
als selbstzahlender "Testfahrer" einmal einen ausfuehrlicheren Beitrag bei-
zusteuern.
Die Probefahrten dauerten mithin circa zwei Jahre und haben doch einige
gravierende Serienmaengel ans Tageslicht gebracht, die dem einen oder
anderen sicher die Freude am Fahren, wie der BMW Slogan so schoen heisst,
tuechtig versalzen werden.
Auch ich war nach den ersten Ausfluegen auf der neugekauften GS von dem
ueberragenden Drehmoment, dem spurstabilen Fahrwerk, der beeindruckenden
Bremsanlage, und nicht zuletzt der Sicherheit, mit dem Katalysator die mo-
mentan beste verfügbare Abgasreinigungstechnologie in mein Motorrad einge-
baut zu wissen, rundum gluecklich.
Dieses Glueck waehrte nicht lange, denn es stellten sich alsbald Maengel
ein, die nach einer Wandlung des Fahrzeuges im Herbst vorigen Jahres auch
an dem zweiten Moped in fast voellig identischer Form zu beobachten sind.
Deswegen und wegen gleichartiger Probleme, die mir von Bekannten und be-
freundeten GS Fahrern geschildert wurden, muss man leider beim Kauf von
einem unausgereiften Serienstand der R 1100 R/GS Motorraeder ausgehen.
Im einzelnen handelt es sich dabei um folgende Unzulaenglichkeiten:
1. Griffgummis faerben stark ab. Sollte man im Sommer mal ein Stueck ohne
Handschuhe gefahren sein, sieht das sofort jeder an den schwarzen Haenden,
die man davon erhaelt. Ist wohl die gerechte Strafe?
2. Die Belegung des Stufenschalters fuer die Heizgriffe stimmt nicht mit
den Angaben der Bedienungsanleitung ueberein.
3. Ueberproportional starke und ungleichmaessige Abnutzung des ansonsten
sehr guten Enduro 4 Vorderreifens von Metzeler (auch seit einer Nachbes-
serung seitens Metzeler haelt der Reifen nur etwa 10.000 km). Der Hinter-
reifen E 4 verhält sich dagegen geradezu mustergueltig.
4. Die Tanklackierung wirft Blasen. Nicht umsonst wird in der aktuellen
Produktion der Kunststofftank der GS durch eine Stahlblechausfuehrung er-
setzt. Die ersten R 1100 GS werden etwa jetzt im Dezember `95 damit ausge-
ruestet sein, das Modelljahr `96 hat jedoch im September begonnen.
5. Die Tankaufkleber werfen ebenfalls Blasen. Man kann das an fast jeder
GS aus der Produktion bis etwa Anfang `95 beobachten. Das Problem wird
durch neue Kunststofftanks und spezielle Aufkleber zu loesen versucht,
die jedoch lange nicht verfuegbar waren und es vielleicht noch nicht sind.
6. Der Antriebsriemen der Lichtmaschine (Poly-V-Riemen) ist zu schwach
ausgelegt und quietscht bei jedem Kaltstart. Er wird nach 40.000 km er-
setzt durch eine stärkere Ausfuehrung. Wer sich nicht auf die Hinterbeine
stellt, zahlt alles selbst. Die breitere Ausfuehrung braucht auch andere
Riemenscheiben! (danach Wechselintervall, glaube ich, 60.000 km)
7. Bei gleichmaessiger Fahrweise haben mindestens alle KAT-Fahrzeuge ein
sogenanntes Konstantfahrruckeln (BMW-Ausdruck). Ein staendiger Wechsel
des Motors zwischen Schieben und Nichtschieben, der speziell bei Stadtge-
schwindigkeiten unter Umstaenden sehr stoeren kann.
8. Von der billigen Auslegung der Lagerung von z. B. Schalthebel oder
Seitenstuetze kann man sich bereits im Stand ein Bild machen. Da werden
Buchsen verwendet, deren Genauigkeit jeder Beschreibung spottet. Das Spiel
am Schalthebel oder Seitenstaender liegt am jeweiligen Ende im Zentimeter-
bereich! Tankbe- bzw. -entlueftungsschlaeuche sind nach einem Jahr poroes.
9. Die Betaetigung der Drosselklappen ist so primitiv ausgelegt, dass sich
ein Gleichlauf ueber einen groesseren Bereich nicht erzielen laesst. Auch
die mittlerweile propagierten neuen, sogenannten reibungsoptimierten Gas-
zuege helfen nur bedingt weiter. Eine Aenderung auf Einzelbetaetigung der
Drosselklappen wird vorbereitet. Wann sie kommt und ob sie nachruestbar
sein wird, wissen nur die Goetter (im Hause BMW). Siehe auch Tourenfahrer
September 1995: Beschreibung eines Umbaues der Drosselklappenbetaetigung
von Herrn Winfried Richter, D-21635 Jork an einer R 1100 RS (wg. Ruckeln).
10. Die Bremsanlage, so wirksam sie ist, vermittelt ein teigiges Druck-
punktgefuehl. Der Druckpunkt veraendert sich je nach Einsatz vom Stand-
zum Fahrbetrieb zum Lenker hin. Eine Ausnutzung der ersten beiden Stell-
positionen des Bremshebels ist nicht anzuraten, da je nach Situation der
Hebel bei einer kräftigen Bremsung am Lenker ansteht. Mehrere Vollbrem-
sungen hintereinander stellen die Anlage vor Probleme! Das ABS kommt nicht
mehr bis in seinen Regelbereich. Im Neuzustand merkt man davon nichts!
11. Die Getriebeschaeden haben sich in der Szene ja schon herumgesprochen.
Es gibt Leute, die bereits das dritte eingebaut bekommen haben. Sie fallen
speziell im Neuzustand durch sehr schlechte Schaltbarkeit und teilweise
herausspringende Gaenge auf. Das kann man je nach Fahrsituation ja gut ge-
brauchen. Wenn sie dann eingelaufen sind, neigen sie im heissen Zustand
dazu den Motor mit ihrem Geklapper zu uebertoenen. Das meines aktuellen
Motorrades hat sich nach jetzt etwa 25.000 km aber bis auf die geringe Klap-
perei und einen wirklich selten herausspringenden zweiten Gang ganz gut
gemacht. An Heulgeraeuschen aus der Getriebeecke sollte man sich im
uebrigen nicht stoeren.
12. Die 78 PS bzw. 80 PS-Motoren klingeln beim Beschleunigen so kraeftig,
dass mir um die Lager der Kurbelwelle speziell nach laengerer Laufzeit
Angst und Bange wird. Es kommt je nach Umstaenden (Aussentemperatur, Luft-
druck und Schwankungen in der Spritqualitaet) zum voelligen Leistungszusam-
menbruch. Das macht viel Spass in der Fahrgruppe, wenn einer mit BMW eine
Runde aussetzen muss, weil nichts mehr geht.
13. Dito weisen sie das sehr schaedliche Hochgeschwindigkeitsklingeln auf.
Es gibt keine Spritsorte bei der diese Motoren nicht klingeln. Einzig der
Drehbereich ab dem der Effekt auftritt, laesst sich mit besserem Kraft-
stoff (Super Plus, bleifrei) geringfuegig nach oben verschieben. Die Ursa-
che scheint unter anderem in einer mangelhaften Abstimmung des Motors zu
liegen. Die Klingelproblematik wird von BMW in Muenchen vehement bestrit-
ten und den meisten Kritikern als deren Hirngespinst verkauft. Wenn man
die gebotene Motorleistung abzuforden versucht, macht man jedoch unwei-
gerlich Bekanntschaft mit den fuers lange Motorleben schaedlichen Geraeu-
schen. Eine schnelle Abhilfe ist hier nicht zu erwarten, sonst brauchte
man das Problem ja nicht mehr unbedingt zu leugnen.
14. Hoher Oelverbrauch dieser Motorraeder ist nicht mehr zeitgemaess.
Ueber einen laengeren Zeitraum und unterschiedliche Fahrsituationen habe
einen durchschnittlichen Verbrauch von ca. 0,45 Liter / 1000 km gemessen.
Da die Einfahrzeit als abgeschlossen gelten kann, brauche ich wohl nicht
mehr mit einer Verkleinerung zu rechnen. Einzig der Versuch mit vollsyn-
thetischem Motoroel hat eine erstaunliche Halbierung gebracht. Da der Kauf-
preis aber doppelt so hoch ist, spart man effektiv nur Gepaeckraum und Ein-
fuellarbeit. Wie es dem KAT dabei geht, weiss ich nicht? Im Vergleich zu
frueheren Mopeds fuehle ich mich da in die 70 er zurueckversetzt. Wer sagt
diese Motorraeder haetten keinen Charakter. Shell und Konsorten freuen
sich jedenfalls garantiert.
15. Die Handprotektoren sind auch nach zwei Jahren, die sie im Prospekt
gezeigt werden, immer noch nicht lieferbar, da nuetzt die beste Griffhei-
zung nur die Haelfte.
16. Der Kilometerzaehler geht praktischerweise mehr als ueblich vor, so
leidet der errechnete Benzinverbrauch wenigstens nicht darunter.
Dies sei ein kleiner Ausschnitt aus meiner Maengelliste. Es gibt noch wei-
tere Kleinigkeiten und Ungereimtheiten. Sicher sind in der obigen Liste et-
liche Kinkerlitzchen (es gibt genug davon) enthalten, aber Oelverbraeuche
wie vor zwanzig Jahren, Hochgeschwindigkeitsklingeln, aufpumpbare Bremsan-
lagen etc., wer will das in der heutigen Zeit noch haben.
Wer als Betroffener oder Interessent mit mir Verbindung aufnehmen moechte,
moege dies gerne tun. Da das Motorrad vom Konzept her gut ist, habe ich
mir zum Ziel gesetzt meine bescheidenen Moeglichkeiten, so gut es geht,
dazu zu nuetzen, solange zu sticheln (mehr wird es angesichts des grossen
Verkaufserfolges leider nicht sein) bis die groessten Bugs beseitigt sind.
Denn zu diesem Motorrad gibt es momentan leider keine mir bekannte Alter-
native.
Bei genuegend Interesse kann man eventuell sogar ein kleines bisschen mehr
Dampf machen. Meine zweite Wandlung steht jedenfalls unmittelbar bevor.
Vielleicht gibt es ja sogar den einen oder anderen Rechtsanwalt, der sich
als Mitbetroffener unterstuetzend einmischt.
In diesem Sinne hier meine Anschrift:
Karl-Heinz Diem, Koeln;
K.DIEM@JINXED.DINOCO.DE
FAX, AB, TEL: 0221 / 8307737 (nicht erschrecken: Firmenanschluss, aber in
meiner Wohnung. Wird nur von mir benutzt.)
--
** Beispiel-Signatur für öffentliche Nachrichten **
## CrossPoint v3.1 ##