From: Thomas Schade, thomas.schade@bmw.de
Subject: Toschas geile 3-Königstour[etwas länglich]
Date: Thu, 07 Jan 1999 14:46:52 +0100
Organization: BMW AG, Munich

Vorgeschichte
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Es begab sich zu Beginn des neuen Jahres, dass eine Freundin ihren
Skiurlaub in Gstaad/CH verbringen wollte. Da aber anscheinend die
Schweiz derzeit Bio-Kampfstoffe testet, wurde sie am Montag durch einen
Salmonellenangriff niedergestreckt. Ein wenig chatten mit Marc am
Dienstagabend liessen einen abenteuerlichen Plan reifen...

Umsetzung
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Es ist Mittwochfrüh, 6.1.99, 3 Königstag

6:40
Eiskalt vom dunklen Himmel funkelnde Sterne, Eiskristallen auf einer
schwarzen Straße nicht unähnlich, lassen auf eine kalt gewesene Nacht
schließen. Andererseits kündet weit im Osten ein zaghafter Hauch von
Dämmerung den Beginn eines weiteren traumhaften Wintertages an.

Der Plan von gestern Abend kann also, zumindest was das Wetter angeht,
umgesetzt werden. Gegen die tageszeitbedingte Müdigkeit hilft eine Kanne
Kaffee, das Motorrad wird mit dem Nötigsten bepackt.

7:45
Zum ersten Mal seit SW-II wird die Blade zum Leben erweckt, und zum
ersten Mal wird die bis dahin nichtsahnende Nachbarschaft vom lieblichen
Grollen geweckt. Die Weihnachtsbäume lassen ihre letzten Nadeln fallen
und werfen ihre Dekorationen von sich, was aber nichts weiter ausmacht
da an 3 König traditionell die Bäume abgebaut werden.

Kurze Beschleunigungstest zeigen der Asphalt ist kalt aber griffig. Das
Ziel ist ehrgeizig gesteckt, also erstmal BAB 96 Richtung Lindau. 'All
systems go' nur richtig warm will dem Motor nicht werden. Aber die
Temperaturanzeige kommt zumindest aus dem 'C' heraus, so what. Bis
Wangen im Allgäu keine besonderen Vorkommnisse; nur dumm, dass dieser
polnische S-Klasse Benz wohl keine Winterreifen montiert hat, aber bei
220 km/h auf leicht feuchter Fahrbahn siegt die Vernunft, der Kampf
jedoch war nicht leicht.

Abseits der Bahn herrschen dann aber andere Verhältnisse. Die Straßen
sind feucht und in den schattigen Passagen glitzert es trotz
Sonnenbrille an den Rändern verräterisch glatt. Die Straßen selbst aber
sind weiterhin griffig.

Und dann kommt Ravensburg und zum ersten Mal keimt der Wunsch nach
Abbruch auf. Nebel mit Sichtweiten zwischen 20 und 50 m auf den, wie
sich im Nachhinein zeigt, nächsten 40 km. Auf der ausgekühlten Kombi und
auf dem Visier bildet sich eine leichte Eiskruste, die Sicht wird
dadurch aber nicht signifikant besser. Ab Überlingen aber gewinnt die
Sonne langsam wieder Oberhand, bis Waldshut lässt sich auf der völlig
freien Strecke wieder etwas Zeit gutmachen. 

11:15
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich gegenüber meiner
ursprünglichen Planung ca. eine Stunde zurück liege, davon allerdings
eine 3/4-Stunde zuhause vertrödelt. Aber es ist eh eine gute Zeit für
einen Kaffee, also rein in die Bahnhofsgaststätte von Waldshut. Die
Bedienung macht den Eindruck als hätte sie Motorradfahrer eher selten zu
Gast, bereitwillig bekomme ich aber 2 Tassen Kaffee. Scharfes
Nachrechnen führt zu dem Schluss, dass die Tour immer noch bis gegen
22:00h beendet sein kann, na gut, müssen wir halt einen Teil der Strecke
im Dunkeln fahren, aber Bange machen gilt nicht.

Auf der Fahrt zum schweizerischen Zoll begegnet mir das erste Motorrad
an diesem Tag, irgendwas Cruisermäßiges, letztlich werde ich ca. 12
Motorräder getroffen haben. Der Zöllner grüßt ungewöhnlich freundlich,
ach ja, in der Schweiz ist wohl kein Feiertag, gut für's Tanken.

Bis Brugg kennt man die Strecke recht gut, ist ja der SW-II-Weg, danach
geht es, in leichter Modifikation der von Marc vorgeschlagenen Route
direkt Richtung Aarau und Olten. Man ahnt warum, ab Brugg dichter Nebel
mit begrenzter Sichtweite, die mich davon abhält schlecht beschilderten
Straßen zu folgen; man erinnert sich, ich habe ein ehrgeiziges Ziel.

Allerdings lichtet sich der Nebel kurz vor Aarau und holt mich erst mal
nicht mehr ein. Ab Langenthal versuche ich dann Marcs Route zu
erreichen, so so, Emmenthal ist keine Stadt, sondern tatsächlich ein
Tal; kein Wunder, dass ich es in der Karte nicht gefunden habe. Die
Route ist aber wirklich vom Feinsten. Hinter dem Thuner See erheben sich
bereits die schneebedeckten Gipfel, davor grüne Weiden, braune Felder
und bunte Kühe.

Die Straße ist völlig trocken, das verspricht ein gutes Weiterkommen.
Völlig trocken? Nein, in einer Kurve, hinter einem Bauernhaus, wirft der
Giebel des selbigen einen so langen Schatten, dass gegen Mittag die
Straße dort noch glatt ist. Aber sie ist breit genug und der
Gegenverkehr macht gerade Mittag, so daß der heftige Slide ohne Folgen
bleibt.

In Thun dann die Gewissensfrage. Ein langer Stau vor dem ersten
Kreisverkehr regt an zum Nachdenken über alpenländische
Straßenverkehrsordnungen. In Österreich ist, wie man weiß, das Passieren
von Kolonnen erlaubt. Oder doch nur geduldet? Und wie ist das in der
Schweiz? Aber obwohl die Schlange lang genug ist, möchte ich die Klärung
vorher herbeiführen. Vor die Wahl gestellt mich einzureihen und nachher
zu hören, du hättest aber dürfen, und nicht zu dürfen und dafür zur
Ordnung gerufen zu werden, entschließe ich mich für Letzteres und damit
zum Überholen. Wir erinnern uns, ich habe ein erhrgeiziges Ziel. Leider
konnte trotz massiver Versuche, ganz Thun scheint eine Fahrzeugschlange
zu sein, vielleicht ist aber auch nur überall Parkverbot, eine Klärung
nicht herbeigeführt werden, für die Rückfahrt wird man sich das merken
müssen.

Ab Thun geht es dann in ein engeres Tal, logisch ist es da schattiger
und kühler. Die Skifahrerdosendichte nimmt zu, sie machen bereitwillig
Platz, anscheinend sind die Reflexe zum Behindern von Motorradfahrern
noch eingerostet.

Weiter oben dann ein grandioser Ausblick. Unten im Tal liegt Gstaad,
umrahmt von einer Kette im Sonnenlicht funkelnder 3-Tausender, na ja,
vielleicht auch nur 2-1/2-Tausender. 

15:15
Die Blade stahet am Ortseingang von Gstaad, in der Nähe endet eine
Skipiste. Die Blicke, die die Kapuzenmänner und Daunenmäuse mir und dem
Motorrad zuwerfen, lassen die Frage aufkommen, ob nicht einer fehl am
Platz ist. Aber vielleicht ist es auch nur das erste Motorrad, das sie
heuer überhaupt sehen. Gegenüber meinem ursprünglichen Zeitplan bin ich
nun 2h zurück, mit Skifahren wird es also diesmal nichts, aber die Zeit
reicht für einen Cappucino und einen Bummel durch den Ort. 6,80 SFR für
2 Tassen Kaffee sind in Ordnung, wo das Geld verdient wird, zeigt sich
in den Schaufenstern.

16:15h 
Es geht zurück. Als Beweis muss eine Tankquittung von Gstaad herhalten,
obwohl es nicht unbedingt nötig wäre. Dafür kommt die Blade zum ersten
Mal in den Genuss einer Tankstelle mit Bedienung; anscheinend hat man
das hier so. Der Tankwart, der sonst bevorzugt die Scheiben von Range
Rovers und ähnlichem reinigt, widmet sich mit gleicher Hingabe den
Scheinwerfern der Blade und dem Visier(!) meines Helmes.

Auf der Talfahrt plötzlich ein unmotivierter Stau. Geübt im Passieren
fahre ich vor und sehe den Grund nicht. Die Weiterfahrt bringt die
Wahrheit zu Tage, die blinkenden Rotlichtampeln an der Seite sind wohl
nicht für Fußgänger gedacht sondern sollen den herannahenden Verkehr vor
den sich senkenden Schranken warnen. Mit mir nicht! Hergebrannt!

Pünktlich zum Feierabendverkehr bin ich wieder in Thun. Keine Ahnung ob
es ein neuer Stau ist oder der gleiche nur in die andere Richtung,
versuche ich nochmal eine Klärung der Verkehrsordnung. Es gelingt mir
nicht. Später werde ich die Schweiz verlassen und immer noch nicht
wissen, was nun erlaubt ist.

Es ist dunkel und es wird kalt, irgendwo zeigt ein Thermometer -2 °C und
18h. Da von der Landschaft eh nichts mehr zu erkennen ist, nehme ich die
gleiche Strecke wie bei der Hinfahrt. Shell hat anscheinend eine
Serviceoffensive gestartet, auch um 19:30h gibt es noch besetzte
Stationen statt der sonst üblichen Automatenanlagen.

Zurück auf der B314 führt ein kurzer Halt zu einer unangenehmen
Erkenntnis. Das Motorrad quittiert das Anfahren mit einem heftigen
Querstehen des Hinterrades. Es wird doch nicht glatt sein? Doch, es ist.
Zwar noch nicht gefroren, aber auch nicht weit davon entfernt. Eiskalt
passe ich eine Dose ab, in der Hoffnung, dass, wo die durchkommt ich
auch durchkomme, und wenn ich dennoch stürze dann lieber dahinter als
davor.

So geht es bis Singen, und pünktlich beginnt wieder der Bodenseenebel.
Diesmal verfolgt er mich über 90 km, bis Lindau. Da es kälter ist als in
der Früh vereist das Visier noch heftiger. Fahren ist nur noch einarmig
möglich, die linke Hand wird zum Scheibenwischer. Die Sicht bleibt
beschissen. Daran ändert auch nicht, dass sich die Verschlussschraube
des Visiers losrüttelt und verloren geht. Na was soll's, ich fahre die
ganze Zeit schon einarmig, da kann ich das Visier auch noch gegen den
Helm pressen.

In Lindau setzte ich mich dann wieder auf die BAB 96, Lindau - München.
Der Nebel hat aufgehört, die Bahn ist trocken, die Geschwindigkeit wird
den Verhältnissen angepasst. Angenehmer Nebeneffekt, der Winddruck
reicht um das Visier zu halten, die linke Hand darf wieder kuppeln und
den Lenker mithalten.

22:30
In Aichstetten noch schnell ein Kaffee, sehe ich aus wie ein Mondkalb
oder warum schauen die mich so an? Na gut, da bröckeln Eisstücke von der
Kombi, aber das kann ja mal vorkommen.

23:45
Die Blade rollt in den Hof einer weitgehend schon wieder friedlich
schlafenden Wohnanlage. Der kurz aufkeimende Gedanke nach einem
endgültigen, orgiastischen Gaststoß wird von der Vernunft in Schach
gehalten. Wer wird schon so unvernünftig sein?!

Fazit
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Die Tour war letztlich etwas zeitraubender als geplant, und ich kann
nicht sagen, ich wäre nicht gewarnt gewesen. Aber es war eine absolut
verrückte Idee, die nach Umsetzung geradezu schrie. Gut, das mit dem
Skifahren war nix, aber der Kaffee war auch nicht schlecht.

München - Gstaad/CH - München: 960 km
Nettofahrtzeit:                14h

It was FUN, FUN, FUN!

Toscha

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