From: Radbert Grimmig, 029352269-0001@t-online.de
Subject: Making of the Syburger Part I
Date: 27 Jul 1998 21:45:59 GMT
Organization:

Liebes Tagebuch!			27.07.98

Heute hab ich mein vierwoechiges Praktikum beim Syburger-Verlag in
Unna angefangen!

Morgens war ich schon ganz aufgeregt. Auf der Karte hab ich
nachgesehen, dass Unna in Wirklichkeit keine 50 km weit weg ist und
ich GAR nicht ueber die Autobahn fahren muss! Ich hab mich aber dann
doch fuer die Variante MIT 2 km Bahn unter Umgehung des Ballungsraums
"Menden" entschieden und war um kurz vor Neun an der Hertinger Strasse
60. Der Postbote schaut mich fragend an; Ja, ich wolle wohl rein,
koenne aber leider nichts annehmen ... sei mein erster Tag hier ...
eine freundliche Sekretaerin macht uns auf. Ich erlaeutere mein
Begehr. "Da muessen sie wohl noch etwas warten, ist noch kein Mensch
hier." Die Kaffeemaschine ist schon durch, doch erst nach fuenf
Minuten bekomme ich ein Taesschen angeboten.

Etwa Viertel nach neun kommt ein Mensch in Jeans und Karohemd, es ist
Herr Roedel, mit dem ich schon telefonierte. Er nimmt mich mit ein
Stockwerk hoeher, wo ueberall Power Macs mit 21-Zoellern stehen, und
erklaert mir in groben Zuegen und verstaendlichen Worten, wie es hier
grob laeuft. 

Dass der Syburger Verlag neben den Regio-Heften auch die "Biker News"
herausbringt, hatte ich erst am Samstagabend auf Umwegen erfahren;
hier gibt es also quasi zwei Redaktionen nebeneinander. Da beider
Hefte aber monatlich und je um zwei Wochen versetzt erscheinen, kann
man sich auch recht gut aushelfen. Fotos werden nicht im Haus, sondern
von der Fa. Medienprofis in Dortmund gescannt und kommen per ISDN
zurueck in die liebevollen Haende des Grafikers Marc. Texte werden im
Haus erstellt, redigiert, gelayoutet und der Litho-Maschine
ueberantwortet; fuer das Layout verwendet die Syburger-Redaktion
ausschliesslich PageMaker, die Biker News im Endstadium
ausschliesslich QuarkXPress. "Die Jungs vom Syburger haben einen weit
groesseren Durchsatz an Informationen, die sie umsetzen muessen, die
machen im Grunde schliesslich sechs verschiedene Hefte - da geht's mit
Pagemaker einfach schneller. QuarkXPress hat dagegen Vorteile, wenn's
etwas schicker aussehn soll ..." Sieht auch wirklich "schick" aus, was
man da vom letzten Heft so sehen kann.

Ich bekomme den Arbeitsplatz vom Redaktionsvorstand Thorsten, der seit
Freitag auf Urlaub ist. Der Rechner spuckt als Warnton ein von den
"Arschkrampen" gesampletes "ZERSTUECKELN " aus. Thorstens
Stellvertreter Erik und Ulli, der Volontaer, zwei extrem langhaarige
Bombenleger mit Brutalschnaeuzern, zeigen mir, wo's langgeht. Die
beiden sind gut eingespannt, denn wie ueblich sind schon verschieden
Deadlines fuer die Regiohefte ueberschritten, sie sind scheinbar nicht
allzu ungluecklich, dass ich ihnen schon mal einen Teil der Arbeit
abnehmen kann, und auch von meinem Einhack-Tempo ganz angetan, sie
selber schreiben nach traditioneller, Jahrzehnte alter
Journalistenmanier im 2-Finger-PLO-System ("jede Sekunde mit einem
Anschlag rechnen"). 

Ich bekomme dazu jeweils einige Informationsfetzen von den "Leuten vor
Ort", die diese zum groessten Teil auf spezielle Vordrucke schreiben
"Name der Veranstaltung" "Wodrum gehts" Was war das Besondere"
Kontakt" und so; dazu gibts jeweils meist ein paar schlappe
Schnappschuesse, von denen einer oder zwei ausgewaehlt werden, aber
auch noch rausfliegen koennen, so dass man im Text besser keinen
direkten Bezug drauf nimmt. Und etwa ein Programmheft, aber das ist
dann schon reichlich. Aus Daten a la "6. Meet des MC Sowieso in
Irgendwo, jaehrlich findet die Veranstaltung statt, trotz stroemenden
regens fiele Besucher, Striptease, Live Bands, Tattoo Artists, fuer
das Dragster-Rennen wurde extra die Strasse gesperrt" soll ich dann
einigermassen lesbare Kurzmeldungen samt Titel und ggf Dachzeile
erstellen. Manchmal ist es auch andersrum und zwei eingesandte Seiten,
die vor Herzblut triefen, aber keine Sau intressieren, muessen auf
einige Worte und die Namen der Neben-Sponsoren (die aber zufaellig
regelmaessig grosse teure Anzeigen schalten) gestutzt werden. Ist mir
voellig schleierhaft, wieso dazu M$ Word benutzt werden muss, KEINS
seiner Features werden genutzt, jeder poplige Texteditor, der sich auf
12 cm Textbreite einstellen laesst, koennte genau so gut verwandt
werden. Bin ich fertig, muss ich ausdrucken, den Ausdruck aaaaaaus dem
Nebenraum holen und Erik zum Redigieren geben, der einige Schnitzer
rausstutzt und kommentiert und sich ansonsten hauptsaechlich an
meinen Usenet-bedingten Umlauten und Doppel-s aufhaengt - ich scheine
die Sache nicht voellig verkehrt zu machen. Ich aendere sodann die
Texte nach seinen Wuenschen und pack sie auf den Server, von wo er und
Ulli (der buergerlich André Grzbiorczyk oder aehnlich
telefonunfreundlich heisst) sie schon begierig runterladen und in die
Seiten reinlayouten. Unter "meinen"Texten stehen dann die Kuerzel der
Typen, die die hingekrakelten Informationsfetzen und miesen
Schnappschuesse lieferten. 

Bis auf einen: RSI, ein Tuner aus Bayern, beschreibt seine bis zu den
Brustwarzen aufgemotzte ZX9R, die er auch gerne zum Testen zur
Verfuegung stelen wuerde! (Komplettpreis 48K). Der Test wird
allerdings abgelehnt, mir blutet das Herz, doch es ist einfach nicht
drin, son Teil fuer 1K hier rauf oder wahlweise den Tester fuer 1 K
dort runter zu karren. Jedenfalls bei Nicht-Anzeigenkunden ... Aber
ich darf die Daten aus seinem Schreiben in ein kurzes Feature
umwandeln, das MEIN Kuerzel tragen wird. Weitere Kurzmeldungen aus
meiner Feder, die in Kuerze erscheinen werden: in der "Kurve" die
Berichte uebers 4. Jade Bay Boogie in Wilhelmshaven und den 2.
Nordener Motorrad-Tag, in der "Motorrad-Szene Bayern" ein Feature uber
ein Ringtraining am Salzburgring und die 6. Munich Custom Days auf dem
Flughafen Neubiberg.

Mit derartigen Jobs - und reichlich Benzingequatsche - vergeht der
Tag. Ein Bericht ist etwas unter die Raeder geraten und ich soll den
Veranstalter des Ringtrainings eben schnell kurz persoenlich anrufen
und mir noch einige Details erzaehlen lassen. Mein erstes
Spontaninterview-Opfer ist geduldig, dafuer wird sein Laden
schliesslich ausgiebig erwaehnt werden.

"Hast Du nen Autofuehrerschein? Gut. Morgen muss naemlich die Centauro
zurueck nach MGI ... aber sieh zu, dass Du nachmittags nicht so spaet
wieder hier bist, wir brauchen Dich fuer den Fotoshoot." Als
Fotomodell. Fuer den Vergleichstest. R 11 S gegen ZRX.

Ich krieg die BMW.

Gruss, Radbert
--
GL 650 d2 / CB 250 RS rrr#89 BWaM #6 h.c. 
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