From: Rolf Schlagenhaft, ros@regent.e-technik.tu-muenchen.de
Subject: ... -> Blackout -> Krankenhaus (lang)
Date: 16 Nov 1997 10:26:43 GMT
Organization: [posted via] Leibniz-Rechenzentrum, Muenchen (Germany)

Hi!

Wie soll ich's Euch erzaehlen - am besten in der Reihenfolge, in der
ich's selbst erlebt habe:

Gestern stehe ich ploetzlich auf der Neusser Strasse neben meinem
etwas seltsam geparten Motorrad. Um mich herum zwei Maenner und
Frauen, die mich verwundert anblicken. Ich sehe, dass Frontverkleidung
und ein paar sonstige Teile am Motorrad ziemlich mitgenommen aussehen.
Am davor parkenden Audi sind Schrammen am Auspuff und die Stossstange
haengt schief. Unter dem Motorrad ist eine Lache Kuehlfluessigkeit.
Ein paar Meter hinter dem Motorrad sehe ich einen ein paar Meter
langen, gebogenen, schwarzen Reifenstreifen auf der Strasse. Aber die
Richtung passt nicht zu einer normalen Bremsspur. Was um Gottes Willen
war passiert? Ich weiss es nicht!

Langsam merke ich, dass mir der Kopf wehtut und mir wird klar, dass
ich da wohl einen Unfall gehabt haben muss. Ich frage die beiden
Passantinnen. Eine antwortet, ja, aber sie habe es nur aus der
Entfernung gesehen. Die beiden Maenner waren erst spaeter
dazugekommen. Wer hat mein Motorrad aufgehoben? Keiner weiss es. Was
tue ich eigentlich hier? Ach ja, dunkel erinnere ich mich an das
Stichwort Flohmarkt. Aber was hat sich hier zugetragen? Egal, wie
lange ich rumgrueble, es bleibt ein Blackout!

Die Passantin fragt mich, ob ich wisse, welchen Wochentag wir haben.
Ja, Samstag. Einer der Passanten ruft per Handy die Polizei. Denen
kann ich nicht viel mehr erzaehlen als meine Personalien. Die letzten
Dinge, an die ich mich erinnere sind Flohmarkt und die paar Brote, die
ich zu Mittag daheim gegessen hatte. Es ist halb vier. Die Polizei
merkt, dass ich einen Blackout habe und ruft sofort den Krankenwagen.
Der ist schnell da. Ich stelle noch das Motorrad etwas mehr zur Seite
und dann werde ich gebeten, mich in den Krankenwagen zu legen.

Unterwegs zum Schwabinger Krankenhaus bekomme ich eine Halskrause und
eine Elektrolyt-Infusion. Die Pfleger teilen mir mit,
Pupillenreaktion, Kreislauf und Zucker seinen okay. Sie vermuten eine
leichte Gehirnerschuetterung. Aeussere Verletzungen habe ich keine.
Auf der Trage im Krankenhausgang liegend habe ich genug Zeit, mich zu
konzentrieren. Und langsam kommen tatsaechlich Erinnerungsfragmente
zurueck. Mir kommen Bilder ins Gedaechtnis, wie ich kurz in einer
Parkluecke am Strassenrand angehalten habe und wie mir beim
Wiederlosfahren das Hinterrad ausbrach. Es war also keine Bremsspur,
sondern die Spur meines durchdrehenden, kalten Hinterreifens. Mehr
weiss ich auch inzwischen noch nicht.

Mein Hals wird aus drei Perpektiven geroentgent und ich werde im
naechsten Gang geparkt. Als ich beim Arzt an die Reihe komme, erzaehlt
er mir, dass meinen Halswirbeln nichts fehlt. Puh! Ich bekomme eine
weiche Halskrause angelegt. Mir wird noch ein Brief an den Hausarzt
und ein paar Voltaren-Tabletten mitgegeben fuer den Fall, dass ich
noch Schmerzen bekomme. Dann werde ich verabschiedet. Also ist das mit
der Gehirnerschuetterung scheinbar auch nicht so schlimm. Trotzdem bin
ich schon noch zeimlich verwirrt und komme mir vor wie in einem
schlechten Arztfilm. Das Kopfweh ist weg, aber beim Anziehen meiner
Jacke schmerzt die Schulter etwas. Ich ignoriere das und verlasse das
Krankenhaus. Es ist ca. 18:00 Uhr.

Wohin jetzt? Klar, Motorrad abholen. Mit der U-Bahn geht's zum
Nordfriedhof. Dabei verfahre ich mich natuerlich prompt auch noch.
Unterwegs betrachte ich zum ersten Mal meinen Helm. Der ist auf der
linken Seite ziemlich angeschrammt, die Reifenspur machte allerdings
einen Rechtsbogen. Daraus mache ich mir folgenden Reim: Als sich das
Hinterrad wieder fing, muss ich die Kontrolle ueber das Motorrad
verloren haben und einen Highsider nach links gemacht haben. Das
Motorrad rutschte auf der linken Seite unter den parkenden Audi und
ich muss wohl irgendwo weiter links mit Kopf und Schulter auf die
Strasse geknallt sein. Die Schrammen auf der Lederjacke bestaetigen
mir das.

Beim Motorrad angekommen, schaute ich mir die Kratzspuren auf der
Strasse, Abriebspuren am Hinterreifen und Schaeden am Motorrad etwas
genauer an. Sie sprechen auch alle fuer den Unfallhergang, den ich mir
zurechtgelegt habe. Frontverkleidung und deren Rahmen, linker
Lenkerstummel, Blinker und Hauptstaender sind alle kraeftig verbogen.
Aber ich entscheide mich, die Maschine heimzufahren. Ob das in meinem
Zustand und dem der Maschine so gut war, bezweifle ich heute. Immerhin
war ich immernoch ziemlich verwirrt, hatte eine Halskrause und die
Gabel war, wie ich spaeter feststellte, in der Bruecke etwas verdreht.

Daheim telefonierte ich nochmal mit der Polizei, um ihnen meine
zurueckgekehrten Erinnerungsfragmente mitzuteilen und den Namen des
Audi-Besitzers zu erfragen. Die Schulterschmerzen gingen langsam
zurueck. Abends gruebelte ich natuerlich lange ueber das
Motorradfahren nach. Ich sage Euch, so ein Blackout ist ein
Scheissgefuehl. Leute, ich brauche irgendjemanden, dem ich versprechen
muss, dass ich mich in Zukunft etwas staerker beherrsche auf dem
Motorrad. Es mir selbst zu versprechen hilft nichts, weil ich das vor
einigen Wochen eigentlich schon getan habe. Naechstes Jahr muss das
anders werden!

Schlaggo

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Rolf Schlagenhaft http://www.regent.e-technik.tu-muenchen.de/~ros/mo/
     Schlaggo@IRC Triumph 900 Sprint '96 31Mm MMM RRR#97 23.70%
  Wer wird denn sein Mopped wegwerfen, nur weil es seine Tage hat.